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Linda Hecker
Foto: Schauspielhaus Bochum

„Ich hoffe doch, dass wir alle überleben“

06. November 2023

Regisseurin Linda Hecker über „Totalausfall“ am Schauspielhaus Bochum – Premiere 11/23

Linda Hecker reagiert mit „Totalausfall“ auch auf Russlands Angriff auf die Ukraine. Der Überfall der Hamas auf Israel hatte zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht stattgefunden – die Wirkmächtigkeit von Schutzräumen steht seitdem einmal mehr deutlich vor Augen. Auch in dieser Hinsicht könnte der Abend, mit Stahltüren abgeschirmt vom Rest der Welt, ein ungewöhnliches Theater-Erlebnis werden.

trailer: Frau Hecker, Ihr Stück dürfte in Europa kontrovers betrachtet werden. Hat die Idee dazu mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu tun?

Linda Hecker: Die Idee, ein Stück zu schreiben, in dem ein Schutzraum die zentrale Rolle spielt, hatte ich schon vor längerer Zeit, sogar schon vor Corona. In der Zwischenzeit sind sehr viele Dinge passiert. Es gab nicht nur die Pandemie; vor zwei Jahren habe ich auch ein extremes Hochwasser hautnah miterlebt. Als dann im Februar 2022 der russische Angriffskrieg kam, habe ich gedacht, nachdem wir jetzt so viele existentielle Ängste erleben mussten, ist es vielleicht eine Idee, die ich nochmal aufgreifen sollte. 

In „Totalausfall“ geht es um Bedrohung durch Nähe. Keine Angst, dass da Menschen mit Cleithrophobie, also mit Angst vor geschlossenen Räumen, im Oval Office eingebunkert werden?

Wir befinden uns erst am Anfang des Probenprozesses. Wenn sich im Laufe der Arbeit herausstellt, dass Hinweise für das Publikum nötig sind, wird es die natürlich auch geben. „Totalausfall“ basiert ja auf den Ideen von verschiedenen Videospielen, auch die haben Altersvorgaben und Hinweise zu gewalttätiger Sprache und Inhalten. Vielleicht kann man das mit einbauen in die Inszenierung.

Es geht darum, dass man anders über Konflikte nachdenkt“

Ist das noch Theater oder eher Performance?

Na ja, es ist Theater, bei dem das Publikum Teil der Inszenierung ist. Allerdings wird es nicht mitspielen müssen. Und es ist auch kein Escape Room, was ja auch schon fast eine Form von Theater ist, weil man aktiv daran teilnimmt. Das wird es bei uns im Oval Office aber nicht geben. Die Zuschauer:innen sind lediglich zusammen mit den zwei Mitarbeiter:innen einer Tech-Firma in diesem Schutzraum drin.

Wie „gefährlich“ wird es denn für das Publikum? In der Ankündigung steht als letzter Satz zumindest: „unterhaltsam und nicht ungefährlich“.

Es geht schon um existentielle Ängste. Um alles, was wir in den letzten Jahren erleben mussten und diskutiert haben. Damit soll sich das Publikum auseinandersetzen – sowohl mit den Ängsten, die man hat, als auch mit den Hoffnungen und Lösungen, die es geben könnte. Und ganz wichtig: mit unseren Vorstellungen von der Zukunft.

Bei den unterhaltsamen Laborbedingungen – werden die Zuschauer:innen da auch zu einer Art von Versuchskaninchen?

Wie gesagt, es ist kein immersives Spiel, aber alle sind als Probanden in diesem Schutzraum ein Teil der Inszenierung.

Aber am Ende leben noch alle – anders als bei Elfriede Jelineks „Kein Licht“ oder Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“?

Ich hoffe doch, dass wir am Ende alle überleben. Das ist ja nun der Sinn eines Bunkers.

Im Theater ist alles möglich“

Was erwarten Sie von den Konfliktlösungen in der Enge? Müssen sich die Zuschauer:innen dazu verhalten?

Das Tolle an der Spielstätte Oval Office ist ja, dass es ein sehr intimer Raum ist. Deshalb macht er als Aufführungsort so viel Spaß, weil das Publikum unmittelbar mit im Geschehen ist. Bei meinem Stück ist genau das beabsichtigt. Die Zuschauer:innen müssen sich zu dem, was da diskutiert wird, verhalten, und sie müssen sich über die Konsequenzen innerhalb des Spiels bewusst sein. Letztendlich geht es darum, dass man Konflikte und die Bereitwilligkeit sie zu lösen, hinterfragt und anders darüber nachdenkt.

Aber die Zuschauer:innen sind nicht in der Lage in den Ablauf einzugreifen?

Nein, nicht direkt. Obwohl ich nicht ausschließen will, dass sowas passiert. Im Theater ist ja alles möglich.

Zum Eintritt nach eigenem Gusto – welchen Effekt hat das aufs Theater, kommen da andere Zuschauer?

Das „Pay what you want“-Prinzip im Oval Office richtet sich schon auch an eine jüngere Altersgruppe. Die Aufführungszeiten von „Totalausfall“ werden auch ein bisschen später sein, weil wir akustisch auf die Vorstellungen im Großen Haus Rücksicht nehmen müssen. Daher gehe ich davon aus, dass die Inszenierung eher jüngeres Publikum anspricht. Aber es ist natürlich jeder und jede herzlich eingeladen.

Gut. Ich hoffe, es gibt bei der Aktion dennoch in irgendeiner Form ein Happy End an der Königsallee?

Das hoffe ich auch. Das wäre definitiv wünschenswert.

Totalausfall | Sa 18.11. 21.45 Uhr (UA/P) | Schauspielhaus Bochum, Oval Office | 0234 3333 5555

Interview: Peter Ortmann

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