Es gibt viele solcher Musiker:innenschicksale in dieser Pandemiezeit: Da war man gerade gut durchgestartet, konnte beachtliche Erfolge erzielen und plante eine ausgiebige Tour, dann kam dieses Virus und machte alle Pläne zunichte. 2016 debütierte die damals 19-jährige Lina Maly mit dem Album „Nur zu Besuch“ und wusste mit ihrer Single „Schön genug“ zu überzeugen. 2019 legte sie ihr zweites Album nach und eine kleine Clubtour war restlos ausverkauft. Was dann kam, ist bekannt. Nun endlich ist es soweit und die Sängerin und Songwriterin kommt nach zweimaliger Verschiebung endlich auf ausgedehnte Deutschlandtour.
Fernab der Kitschgrenze
Im locker-abgerockten Ambiente des Junkyard Dortmund ist eine minimalistische „Lichtshow“ aus einer Handvoll Leuchtstäben eingerichtet und mehr braucht es auch nicht, denn Lina Maly leuchtet an diesem Abend von innen heraus. Ihr und ihrer Band kann man deutlich ansehen, wie glücklich sie dieser Auftritt vor einem fast ausverkauften Saal nach langer Zwangspause macht. Musikalisch changiert der Abend zwischen intim-melancholisch und durchaus auch tanzbar – bis hin zu gelegentlichen Ausbrüchen, die man rockig-energiegeladen nennen darf. Eine verlässliche Bank ist dabei Linas Begleitband, bestehend aus Gitarre, Schlagzeug und Keyboard. Das Trio bildet ein solides Fundament für Lina Malys sanften Gesang. Maly singt deutsch – vom Verliebtsein, von Sehnsüchten und Trennungen. Dabei sind ihre Texte frei von den Versatzstücken aus den Schubladen, in die so viele deutsche Songwriter aktuell greifen. Ihre Texte sind sehr persönlich, wirken authentisch und bewegen sich dabei fernab der Kitschgrenze.
Kindliche Freude
Das sitzende Dortmunder Publikum ist anfangs noch ein wenig reserviert, aber Lina Maly hebt sich ihre Singles nicht für die Zugabe auf und spätestens bei „Schön genug“ singt das Publikum mit und die musikalisch hochkonzentrierte und souveräne Sängerin schäumt bei Ihren Ansagen geradezu über vor kindlicher Freude. Highlights im Programm sind zweifelsfrei „Darf ich das behalten“, Was du mir gibst“ oder „Als du gingst“ – oder im Duett „Fühl“, das Lina Maly gemeinsam mit ihrer Keyboarderin Nina Müller anstimmt. Nina Müller ist selbst unter dem Namen WIM auf Solopfaden unterwegs und bringt in diesen Tagen ihr erstes Album auf den Markt. Da passt es gut, dass sie bei einigen Konzerten der Lina Maly-Tour auch gleich den Support bestreitet.
Einziger Schwachpunkt des Konzertes in Dortmund ist der Sound. Eigentlich klar abgemischt, bringen die lauteren Passagen irgendetwas in der Bausubstanz des Schrottplatzes zum Schwingen, was in ein störendes Scheppern mündet – möglicherweise ist das ein allgemeines Problem des Junkyard?
Lina Maly (Support: WIM) | 2.6. 20 Uhr | Hot Jazz Club, Münster | Kontakt: 0251 686 679 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Auf Tuchfühlung
Indie-Rocker LEAP in Dortmund – Musik 04/24
16 Stunden Tech-House
Kittball Day & Night Festival in Dortmund – Festival 08/23
Alte Seele
Celeste im Dortmunder Junkyard – Musik 06/23
Eine Extraschicht Kultur
Festival Extraschicht 2024 im Ruhrgebiet – Musik 05/24
Mehr Wut, bitte!
Wilhelmine begeisterte in Bochum – Musik 05/24
Nichts Weltbewegendes?
53. Moers-Festival – Festival 05/24
„Erstarrte Konzertrituale aufbrechen“
Interview mit dem Direktor des Dortmunder Festivals Klangvokal, Torsten Mosgraber – Interview 05/24
Noten sind nicht maskulin
Das Komponistinnenfestival Her:Voice in Essen – Festival 05/24
Die mit dem Brokkoli kuschelt
Mina Richman in Recklinghausen – Musik 04/24
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
Lauter träumen, leiser spielen
Rotem Sivan Trio im Dortmunder Domicil – Musik 04/24
150 Jahre Heavy Rock auf einer Bühne
Judas Priest laden zum Hochamt nach Dortmund – Musik 04/24
Keine Vagabunden mehr
New Model Army in Oberhausen– Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Geschwisterpower
Kanneh-Mason Trio in Dortmund – Musik 03/24
Altbewährtes und neue Formate
Das Klavier-Festival Ruhr mit neuer Intendantin – Festival 03/24
Verwandt in Sprache und Gefühl
Dota und Mascha Juno brillieren in Herne – Musik 02/24
Genau die richtigen Gäste
„Steve Coleman and Five Elements“ am Grillo-Theater in Essen – Musik 02/24
Mitten im Moshpit
Ace Butterfly in Bochum – Musik 02/24
Von Totengräbern und toten Schmetterlingen
Architects schwingen die Abrissbirne in Münster – Musik 02/24
Musik aus dem Zauberwald
Marta Del Grandi in Dortmund – Musik 01/24
Kameraden und Familie
Chuck Ragan & The Camaraderie in Dortmund – Musik 12/23
Krawall gerufen, Krawall bekommen
Preisverleihung beim Wettbewerb Remix.ruhr in Bochum – Musik 12/23