Während Kritiker im ersten Jahr noch die Berechtigungsfrage stellten und anzweifeln ließen, ob denn das Ruhrgebiet nun wirklich auch noch ein Literaturfestival brauche – und dann auch noch eines, dessen Titel, ohne große Mühen, in Anlehnung an die lit.Cologne viel eher geborgt als nach einem Geistesblitz aussieht – scheinen diese Zweifel im Folgejahr beseitigt. Wenige Tage bevor die lit.Cologne ihre Tore öffnet, wartet die lit.Ruhr mit knapp 80 Veranstaltungen und großen Namen der deutschen wie internationalen Literatur auf: Daniel Kehlmann und Juli Zeh sind da, genauso Thea Dorn und Martin Walser, aber auch Joschka Fischer, Robert Seethaler und Jonas Jonasson. Wer in Alltagssituationen bereits Entscheidungsschwierigkeiten verzeichnete, für den stellt viel eher das Programm der lit.Ruhr ein Problem dar als die Tatsache, dass sie auch im zweiten Jahr erneut stattfindet. Vermutlich wäre es leichter, wäre letzteres nicht der Fall – aber wäre es auch schöner? Ganz sicher nicht.
Innerhalb von sechs Tagen geben sich Schriftsteller, Politiker und Intellektuelle im Stundentakt die Klinke in die Hand, schreiben, lesen, diskutieren. Und es scheint, dass Berlin leer ist, alle Schauspieler haben die Hauptstadt verlassen, um an der Ruhr aus Büchern vorzutragen: Von Hannelore Hoger und Katharina Thalbach über Burghart Klaußner und Bjarne Mädel bis hin zu Nina Kunzendorf und Ulrich Matthes sind sie alle dabei. Letztere etwa, wenn sie am 11.10. gemeinsam mit Christine Becker im Schauspielhaus Bochum aus „Am Strand von Bochum ist allerhand los“ lesen. Der Anfang des Jahres erschienene Sammelband umfasst an die 400 Postkarten, die der Schriftsteller Jurek Becker an seine Frau, aber auch an Freunde und Bekannte auf Reisen verfasste. Mal nachdenklich, mal augenzwinkernd verraten diese sehr kurzen Texte viel über den scheuen und zugleich aufmerksamen Autor von „Jakob der Lügner“ und „Liebling Kreuzberg“. In der Besetzung durch Kunzendorf und Matthes offenbaren Beckers Postkarten einen nostalgischen, doch nicht weniger ehrlichen Blick auf das eigene Leben und markieren darüber hinaus eine heimliche Sternstunde im Programm der lit.Ruhr.
Lit.Ruhr | 9. - 14.10. | www.lit.ruhr
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