Zeigen und Bezeugen
„Schwarzwasser“-Film am Schauspiel Köln
Drei Deutungen eines Stücks zu liefern, das muss man erst mal leisten. Kaum hatte Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann seine erste Interpretation von Elfriede Jelineks „Schwarzwasser“ zur Ibiza-Affäre im März letzten Jahres fertiggestellt, da zwang ihn der erste Lockdown, den Abend coronagerecht zur Installation umzuinszenieren. Der zweite Lockdown seit November machte auch das unmöglich und so musste eine neue, eine filmische Umsetzung her.
Klar, vieles kennt man, einiges nicht. So eröffnet der 60-minütige Film mit einer Techno-Szene in einem Club, bevor Peter Knaack, aufgehängt an einem Lastenkran, dem Opfertum Österreich (als erstes Opfer der Nazi-Diktatur) ein Hohelied singt und über den Tourismus salbadert. Dazwischen geschnitten wird das Reenactment des Ibiza-Setting, bei dem die FPÖ-Granden Strache und Gudenus einer fiktiven russischen Multimillionärin ihre Allmachtsphantasien offenbarten. Ilona Gründel im Lastenaufzug schließt das politische Engagement der Klimaktivisten mit Euripides „Bacchantinnen“ kurz, Tom Radisch badet in einem aufblasbaren Planschbecken und räsoniert über Flüchtlinge und Autobahnen – und vergötzt sich und seine Kumpane als wahrheitsfanatische und rechtskonforme Rechtspopulisten. Am Ende hält Jörg Ratjen im Badeanzug mit Jelinek-Perücke in einer Toilette zu Wagners „Lohengrin“-Vorspiel einen Monolog übers Zeigen, (Be-)Zeugen und Zeugnisse.
Bachmann spielt mit einer Vielzahl von filmischen Mitteln, verbindet Off-Ton mit stummen Mündern, schneidet kürzeste (Assoziations-) Szenen in die Monologe, zerstückelt Abläufe, schiebt Szenen ineinander und schafft so eine überzeugende dritte Version seiner „Schwarzwasser“-Interpretation.
Schwarzwasser | R: Stefan Bachmann | aktuell keine Termine | Schauspiel Köln | 0221 221 28240
Autor
HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN