„Wir wollen eine Art Geisterbahn bauen“
Anne Frick über „Dream on – Stadt der Träume“ in Wuppertal
Zwischen Alb- und Tagtraum schwingt das schläfrige Pendel. Wovon träumt eine ganze Stadt? Wovon träumt Wuppertal? Das Schauspiel Wuppertal will dieser Frage in Kooperation auch mit dem soziokulturellen Zentrum Loch in all seinen Facetten nachgehen. Regisseurin Anna Frick sucht in der einstigen Knopffabrik der Schwebebahn-Stadt nach Antworten.
engels: Es geht um eine traumhafte Stadtvermessung. Für einen Sommernachtstraum ist es aber wohl noch zu kalt, oder?
Anna Frick: Die Zuschauer:innen werden auf eine Traumreise entführt werden. Träumen heißen ja nicht unbedingt nur schöne Träume, sondern es gibt auch Albträume und all die anderen. Wir bespielen die ganze Klaviatur des Traumkosmos.
Und wie muss ich mir die Traumwelt vorstellen?
Wir realisieren das Projekt in einer ehemaligen Wuppertaler Knopffabrik. Das ist eine altehrwürdige Werkhalle, die seit Kurzem nicht mehr in Betrieb ist. Diese Fabrik wurde quasi vom Theater eingenommen und wir arbeiten nun an diesem verzauberten Ort.

Zur Person:
Anna-Elisabeth Frick
studierte Germanistik und Kunstgeschichte, Regie und Bildende Kunst. Ihre Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Sprechtheater, Musik, Tanz und Performance. Sie inszeniert u.a. am Nationaltheater Mannheim, Theater Freiburg, Residenztheater München, Theater Kiel, Hans Otto Theater Potsdam und dem Theater Wuppertal. Foto: Patrick Slesiona
Warum geht denn ein Stadttheater immer wieder in seine lokale Umgebung? Ordentlich vermessen ist die Stadt wohl doch.
Das ist die Sehnsucht danach, als Theater in die Stadt hineinzuwachsen, die ich sehr gut nachvollziehen kann. Man will dahingehen, wo die Menschen sind, man möchte die Leute auch abholen. Die Frage nach fehlenden Zuschauer:innen ist ja zuletzt ein großes Thema gewesen. Man versucht so, eine andere Aufmerksamkeit zu bekommen und auch diejenigen anzusprechen, die jetzt vielleicht eher zuhause sitzen und nach der Pandemie eher Streaming-Dienste abonnieren. Die Außenwahrnehmung ist ein Versuch neues Publikum zu akquirieren. Und es ist ja auch verständlich, dass man erfahren möchte, was die Menschen in der Stadt bewegt für die man Theater macht.
Und dafür braucht man dann bei dieser Geschichte so viele Schauspieler:innen?
Genau. Wir wollen dass die Fabrik belebt wird. Wir wollen wirklich eine Art Geisterbahn bauen, die man zwar als Kind gefahren ist, dieses Mal aber eher für Erwachsene ist. Mit ganz vielen Akteuren, die wir Traumfänger:innen nennen. Vier Ensemblemitglieder vom Theater Wuppertal sind dabei, aber auch 15 Bürger:innen aus der Stadt Düsseldorf, die als vollständige und vollwertige Akteur:innen mitwirken.
Kommen wir nochmal zum Träumen. Die KI HAL 9000 hat mal gefragt: Werde ich träumen? Macht gerade das die entwickelten Lebewesen aus?
Das ist ein guter Gedanke. Ja, vielleicht. Ich findees wichtig, seine Träume selbst wahrzunehmen und ernst zu nehmen, was ja auch viele Künstler:innen vor uns gemacht haben, wenn man beispielweise an die Surrealisten denkt, aber auch jemand wie den Filmemacher Frederico Fellini, mit dem wir uns sehr viel beschäftigen oder auch Franz Kafka selbstverständlich. Es gibt so viele Künstler:innen, die gesagt haben, dass jeder seine Träume ernst nehmen soll und nicht abtun, denn sie gelten als seelischer Müll, als seelisches Abfallprodukt. Man muss sie also nicht unbedingt ausleben, aber zumindest wahrnehmen, dass man sie träumt. Das ist unser Anspruch, dass wir da unser Blickfeld erweitern und diese andere Wirklichkeit in den inhaltlichen Fokus nehmen wollen.
Was denken Sie, wovon träumt Wuppertal? Wirtschaftlichem Aufschwung? Funktionierenden Schwebebahnen?
Vielleicht. Ich komme ja selbst nicht aus Wuppertal. Das ist ja auch sehr individuell, was die Leute hier träumen, was die Stadt träumt. Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Feststeht, dass sie träumt und dass sie diese Träume auch nicht verlieren darf. Es darf nicht alles durchrationalisiert werden. Man muss sich daran erinnern, dass es Träume gibt, die haben ja alle.
Und wie ist da ein soziokulturelles Zentrum involviert?
Mit dem Loch arbeiten wir zusammen und arbeiten mit Künstler:innen von denen, die teilweise die Räume um uns herum bespielen. Es gibt ja unglaublich viele Räume hier in der Fabrik. Auch die Künstler:innen haben sich dem Thema der Träume gewidmet und machen daraus ganz eigene Arbeiten. Wir arbeiten da sehr eng zusammen und das ist eine gute Kooperation, zudem finde ich es auch sehr interessant mit Leuten aus anderen Sparten zusammenzuarbeiten, aus der Bildenden Kunst, aus der Fotografie, die einen eigenen Blick auf das Thema haben und diesen auch verwirklichen.
Aber das Loch will sicher kein schwarzes sein, oder?
Nein! Wir versuchen es sowohl hell leuchten zu lassen als auch die dunklen Schattenseiten zu zeigen. Das ist nicht nur schwarz.
Dream on – Stadt der Träume | 29.4., 19:30 Uhr (P) | Knopffabrik Wuppertal | 0202 56 37 666
Interview:
Peter Ortmann