Was für ein Licht! Auf diesen Bildern scheint alles verlangsamt, ja, aus der Zeit genommen, auch dann, wenn bestimmte Jahreszeiten gemeint oder Menschen in Handlungen verfangen sind. Die meisten Gemälde der Ausstellung in Hamm kennzeichnet eine helle Tonalität, welche sich als Stille über die Darstellungen legt, erst recht wenn es um die Schilderung einer weiten Landschaft geht.
Im Rahmen seiner Wiedereröffnung zeigt das Gustav-Lübcke-Museum derzeit skandinavische, vor allem finnische Malerei aus den Jahrzehnten vor und nach 1900, entliehen von der Gösta Serlachius Kunststiftung. Es ist ein kluger, auch als Ausstellung gelungener Schachzug der neuen Museumsleiterin Friederike Daugelat: Die Exponate sind hochkarätig, wurden aber außerhalb ihrer Herkunftsländer selten gezeigt. Sie beeindrucken in ihrer Malerei und Motivik und dem ganz Eigenen dabei. Sie lassen aber auch Parallelen zur westeuropäischen Klassischen Moderne zu, was schließlich kein Wunder ist, weil die skandinavischen Künstler in den großen europäischen Metropolen, besonders in Paris oder München studiert haben. Die Inhalte der Bilder führen jedoch den Nationalstolz vor Augen. Dominiert von Russland und Schweden, formulieren die finnischen Maler Unabhängigkeit und Identität – und wirklich autonom wurde Finnland erst nach der russischen Revolution 1917.
„Hauptkünstler“ der Malerei dieser Zeit und nun auch der Ausstellung ist Akseli Gallen-Kallela (1865-1931). Er ist mit Werken aus verschiedenen Phasen vertreten. Zu den bemerkenswertesten Bildern gehört sein Gemälde „Symposion“ von 1888: Dicht gedrängt sitzen die Mitglieder der Künstlergruppe „Junges Finnland“ mit Gallen-Kallela und Jean Sibelius zusammen. Ihr gemeinsames Feiern ist wie ein Programm aus Träumen und Wachsein in der Verbindung naturalistischer Malerei und symbolistischer Motive. Den Ton des Metaphorischen schlägt Gallen-Kallela aber auch für die Natur in ihrer Ausdehnung an. Dazu hat er den hintersten, am wenigsten besiedelten Ort Finnlands aufgesucht, Kuhmo an der Grenze zu Russland. In einem Gemälde von 1890 erzeugt er im Panoramaformat mit der impressionistischen Naturschilderung, verstärkt durch die Spiegelung im Wasser, das Gefühl der Einsamkeit des Einzelnen.
Vier Jahre zuvor hatte Albert Edelfelt sein „Mädchen beim Sockenstricken“ vor die Kulisse einer herbstlichen Waldlandschaft gesetzt. Mit den weiß blitzenden Stricknadeln, die in ihrer Ausrichtung den Blick in das Labyrinth der Bäume im Mittelgrund leiten, nimmt das blonde Mädchen den Kontakt zum Betrachter auf. Edelfelt setzt zahlreiche Identifikationsmerkmale mit Finnland ein, und zwar so eindrucksvoll, dass einem das Mädchen nicht mehr aus dem Kopf geht. Ähnlich verwendet Hugo Simberg nordische Motive, indem er mehrere Paare auf einem hölzernen Plateau im See tanzen lässt.
Wie anders ist hingegen „Die Skiläuferin“ (1909) von Helene Schjerfbeck! Schjerfbeck ist hier eine rigoros moderne Künstlerin. Im Bild selbst ist das Thema nicht mehr eindeutig zu benennen. Schon das Gesicht ist auf der Grundlage der Symmetrie in Farbflächen übersetzt, die Schneefläche bleibt geradezu ausgespart. Verner Thomé wiederum malt realistisch, ist aber kühn und auf der Höhe der Avantgarde, was die Anlage der Figuren betrifft. „Am Strand spielende Jungen“ (1904) zeigt die nackten Körper in das Bildfeld verspannt. Die Nacktheit, das Sonnenlicht, der weiße Sand demonstrieren eine Einheit mit der Natur. – Aber die Ausstellung in Hamm beinhaltet noch etliche weitere herausragende Malereien zwischen Naturalismus, Impressionismus, Neuer Sachlichkeit und Abstraktion, und doch sind Klang und Haltung anregend verschieden von dem uns Vertrauten. Ein Nationalstil ist in der Malerei zu entdecken.
„Sehnsucht Finnland – Skandinavische Meisterwerke um 1900“ | bis 16.3. | Gustav-Lübcke-Museum in Hamm | 02381 17 57 14
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