Weiberwirtschaft

Sind Chefinnen wirklich sanftmütiger? Oder ist das auch ein Klischee? Foto: 8th / fotolia

Weiberwirtschaft

Weniger Testosteron, nachhaltigere Entscheidungen – Thema 03/16

Frauen erobern die Arbeitswelt. So ein Satz im Jahr 2016 ist natürlich reine Provokation. Oder etwa nicht? Frauen müssen auch heute noch um eine gerechte Bezahlung kämpfen – das zeigt alleine der Equal Pay Day, der auch in diesem Jahr am 19. März, sagen wir, begangen wird. Was hilft gegen ungerechte Bezahlung? Viele Frauen denken sich in dem Fall, „am besten selbst Chef sein“. Und wenn die Frauenquote in den Chefetagen noch nicht im Unternehmen der Wahl in die Tat umgesetzt wird, könnte die Selbstständigkeit der nächste (und vielleicht auch logische) Schritt sein.

Tatsächlich machen Frauen in der letzten Zeit immer häufiger ihr eigenes Ding. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der weiblichen Selbstständigen nach dem Statistischen Bundesamt von 1,06 Millionen auf 1,36 Millionen um 27,9 Prozent erhöht. Ihr Anteil ist von 28,5 auf 32,2 Prozent gestiegen. genauso wie der Frauenanteil bei den Gründungen. Der KfW-Gründungsmonitor hält hier einen Anstieg von 38,3 Prozent (2003) auf 43,4 Prozent (2013) fest. Das heißt also, dass bald jedes zweite Unternehmen von einer Frau gegründet wird.

Einen Vorreiter für Gründungen durch Frauen gibt es schon lange in der Hauptstadt. Das nach eigenen Angaben „größte Gründerinnenzentrum Europas“ findet sich mitten in Berlin. Die WeiberWirtschaft eG gibt es bereits seit 1989, mit aktuell 1800 Genossenschafterinnen. Man kann es neudeutsch Co-Working-Space nennen, denn dort haben Gründerinnen die Möglichkeit, ihre beruflichen Ziele auf mietbaren Büros von 14 bis 220 Quadratmetern Größe in die Tat umzusetzen. Dabei liegt der Fokus stark auf dem Thema Nachhaltigkeit. Mit dem Umweltverein Life e.V. hat die WeiberWirtschaft den 32-seitigen Leitfaden „Grün. Gerecht. Gestalten“ entwickelt, „ein Leitfaden für Gründerinnen und Unternehmerinnen zum ökologisch nachhaltigen, sozialen und gerechten Wirtschaften“.

Eine „zukunftsfähige Welt aktiv mitzugestalten“ sei die große Chance, die Gründerinnen von nachhaltigen Unternehmen haben sollen. Und es sei „nicht zwangsläufig teurer zu wirtschaften, sondern bewusster“. Etwas, das konservativen Unternehmenspatriarchen mit reinem Blick auf Gewinnmaximierung durchaus abgesprochen werden darf. Machen wir uns deshalb nichts vor: Dieser Leitfaden darf gerne auch von Männern gelesen werden. Da steht nichts drin, was Männer als Führungskräfte nicht auch könnten. Die Frage ist, ob es sie auch anspricht. Und ob Frauen sich nicht einfach eher trauen, Themen wie Transparenz gegenüber und Partizipation von Mitarbeitern anzupacken.

Da rauscht sie schon heran, die gewollt klischeebesetzte Frage: Sind Frauen die besseren Chefs? Es mag am Testosteron liegen, dass sich Männer gerne mal in die Schlacht stürzen und deshalb Risiken und deren Kalkulation links liegen lassen, ohne vorab einmal alles durchgerechnet und -geplant zu haben. Das, sagt Börsenfachmann Manfred Köberlein, könnte Frauen weniger passieren. Sie planten langfristiger und wögen ihre Entscheidungen stärker ab, wurde er von N24 zitiert – Köberlein unterstützt damit den German Gender Index, der 2015 an der Hannoveraner Börse gegründet wurde. Darin werden aus 300 diejenigen 50 Aktiengesellschaften versammelt, die ein geschlechtertechnisch annähernd ausgeglichenes Führungspersonal an der Spitze haben und das am besten umsetzen.

Der Index zeigt theoretisch, wie sich Börsenkurse von gender-freundlichen Unternehmen im Vergleich zu jenen männergeführter AGs entwickeln. Finanzfirmen haben sogar einen passenden Aktienfonds eingerichtet. Was hier freiwillig geschehen sollte, wurde bereits gesetzlich festgelegt – zumindest im Ansatz. Bis 2016, so entschied der Bundestag im März letzten Jahres, sollen in den Führungspositionen der 100 größten Aktienunternehmen 30 Prozent weibliche Mitglieder sitzen. 2018 soll der Anteil auf 50 Prozent erhöht werden.

Doch dann platzt sie herein, die Umfrage, die alle schönen Gedanken um die Utopie der weiblich-nachhaltigen Wirtschaft wieder zunichtemachen könnte: Die Personalberatung Russel Reynolds, die international agiert, hat Interviews mit 4300 Menschen geführt. Herausgekommen ist: Wenn der Frauenanteil im Unternehmen steigt, achten auch die weiblichen Führungspersonen mehr auf die eigene Karriere. Ist der Anteil hoch (26 bis 40 Prozent), soll das Klima in der Firma sogar rauer werden als bei einem niedrigeren. „Die Managerwelt wird dadurch härter“, sagte Studienautor Joachim Bohner der „Welt am Sonntag“, aber auch, dass Frauen „ihren Exotenstatus abschütteln und einfach nur Führungskräfte sein“ können. Soziale Fragen wären keine Bürde mehr für die Frauen. Das wäre eine zweifelhafte Errungenschaft von Gleichberechtigung – die dadurch aber nicht in Frage zu stellen sein soll.

Autor

FLORIAN SCHMITZ

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