Am Ende gilt der Applaus zwei ProtagonistInnen dieses Buchs: Ursula Thom und Andreas Maluga. Denn sie sind nicht nur real. Sondern sie stehen an diesem Abend mitten im Saal, nachdem Joachim Król sie bat, aufzustehen. Sie sind zwei von etlichen Personen, mit denen sich der Schauspieler unterhalten hat. Über ihre Biographien und vor allem über die Brüche in diesen Lebensläufen, die eng mit der „Wende“ 1989/1990 zusammenhängen. „Sie haben uns in ihre Wohnzimmer gelassen“, bedankt sich Joachim Król. „Ohne sie wäre unsere Geschichten nicht möglich gewesen.“
Aus all diesen Geschichten woben Król und Lucas Vogelsang gemeinsam das Buch „Was wollen die denn hier? Deutsche Grenzerfahrungen“. 1000 Kilometer klapperten sie durch Deutschland. Von Westen nach Osten, um die Ambivalenzen und Annäherungen der einstigen Blockstaaten, der DDR und der BRD, anhand dieser Lebensläufe zu schildern. „Das sind Grenzerfahrungen, die im Kleinen für das Große stehen“, erzählt Lucas Vogelsang.
Während Król eloquent die Gespräche führte, übernahm Vogelsang die Rolle des Chronisten, der die Dialoge und die Begegnungen in eine pointierte Prosa goss. Die Idee dazu begann vor einigen Jahren in Hamburg, als sich beide dort im Schauspielhaus trafen. In einer umliegenden Kneipe soll viel Schnaps geflossen sein. Und irgendwann sei daraus eine Schnapsidee entstanden, als ihr Gespräch langsam vom Thema Fußball Richtung Kino mäanderte.
Schließlich landeten sie bei jenem Kapitel, bei dem Film-Gespräche mit Joachim Król eben landen: beim Streifen „Wir können auch anders...“. Jener Roadmovie von Detlev Buck, mit dem der gebürtige Herner 1993 berühmt wurde. Im Kultfilm im Stile des Western-Genres durchstreiften Król, Horst Krause und Co. in den Wende-Jahren die neuen Bundesländer. So entstand an diesem Abend die Idee, zurückzukehren in dieses andere Deutschland.
Genau dazu kam es einige Jahre später. Los ging es für beide in Bochum. Doch weit mussten sie nicht fahren. Denn gleich hier, im Herzen des Ruhrgebiets, trafen sie Ursula Thom, die eine ganz besondere Grenzerfahrung zu schildern hat: Die einstige Verkehrspolizistin in der DDR floh am 7. November 1989 in den Westen. Um dort zwei Tage später zu erfahren, dass die Mauer gefallen war.
Nach dieser ersten Station geht es weiter in die Welt der Ost-West-Gefühlslage. Allerdings über Umwege, wie es in dem Buch heißt: „Von Bochum landen wir dann weiter westlich in Wattenscheid.“ Dort trafen sie auf den gebürtigen Magdeburger Andreas Maluga. In Wattenscheid hat Maluga eine Art DDR-Museum ersammelt. Hier feiert er mit Genossen am 7. Oktober die Gründung des einstigen Arbeiter- und Bauernstaates und harrt vergeblich einen Besuch des letzten SED- und Staatsvorsitzenden Egon Krenz herbei. Alles in originalgetreuer Kostümierung. Eine skurrile Szenerie, die Vogelsang humorvoll als DEFA-Film beschreibt, in der Joachim Król wie ein überforderter Komparse erscheint. Irgendwie hat die Mauer die Berliner Republik auch im 30. Jahr überdauert und reicht bis nach Wattenscheid, wie diese Spurensuche pointiert dokumentiert.
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