Was ist eine Mutter?

´Wieder einmal am Herd: Nathalie Taly Journo, Dunja Dogmani und Derya Kaptan (v.l.) in „Methode Baklava“ Foto: Meyer Originals

Was ist eine Mutter?

Comedia präsentiert Uraufführung von „Methode Baklava“ – Bühne 03/15

Sind sie nicht das Zentrum der Welt? Sind sie nicht diejenigen, die dafür sorgen, dass der Läden läuft, auch wenn‘s uns manchmal gar nicht auffällt? Dass es so ist, spüren wir immer dann, wenn sie nicht da sind. Denn dann fehlt unseren Familien offensichtlich das Herzstück. Die Mütter. Was denken sie, was fühlen sie, was denken ihre Kinder über sie? Das sind Fragen, die sofort auftauchen, wenn es um die „Methode Baklava“ geht, die neue Produktion von Hannah Biedermann für die Comedia.

Das Stück nimmt einen Ansatz auf, der vor einem Jahr schon einmal erfolgreich in der Produktion „Taksi to Istanbul“ praktiziert wurde. Die Theaterleute befragen Migrantenkinder über ihr Leben in Köln. Diesmal wollten sie zum Beispiel wissen, was den Kindern das Wichtigste an einer Mutter ist. Kinder sind ehrlich, deshalb kommt erstaunlich oft die Antwort: „Sie muss gut kochen können“.

Die Location für das Stück war damit schon vorgegeben. Zwischen Küchenherd und Esszimmertisch wirbeln nun Dunja Dogmani, Derya Kaptan und Nathalie Taly Journo als tunesische, türkische, israelische oder französische Mamas über die Bühne. Enorm viel Material wird verarbeitet, ohne dass man den Eindruck hätte, hier müssten Botschaften transportiert werden. Im Gegenteil, stets sucht die Inszenierung die konkrete Situation. So konkret, dass das Publikum nachher gemeinsam mit den Darstellerinnen das Gemüsegericht verputzen kann, dass die drei während der Aufführung kochen und nach dessen Aromen bald das ganze Theater duftet. Sehr schnell und doch stets elegant wechseln die drei ihre Rollen, Themen und Monologe. Dazu gibt es Stimmen aus dem Off und Fernsehschirme, auf denen sich die befragten Kinder zu Wort melden. Hannah Biedermann choreografiert all diese Anregungen und Themen bravourös zu einem Strom der Gedanken und Emotionen, der sein Publikum unweigerlich mitzieht.

Eine gute Methode, denn das mütterliche Zentrum bleibt immer unscharf konturiert. Zuviel fließt in ihm an Erwartung und Sehnsucht zusammen, als dass man es genau bestimmen könnte. Es muss sich ereignen, und das geschieht hier, auch weil die drei sympathischen Schauspielerinnen dieses Spektakel pointiert zu entfesseln vermögen. Bei allem Temperament, wird es einem manchmal auch ein wenig mulmig, wenn etwa die Situationen zur Sprache kommen, in denen die Mütter keinen Schutz, keinen Trost und keine Fürsorge geben konnten. Und es wird traurig, wenn deutlich wird, wie viele weibliche Leben unverwirklicht bleiben, weil neben Haushalt und Kinderkriegen keine Zeit und keine Unterstützung vorhanden ist, damit sich Frauen beruflich und intellektuell entwickeln können. Die Migranten-Mütter stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, und sie sind es, die eine Heimat aufgegeben haben, in die sie nie wieder zurückkommen können, und einer entgegen streben, in der sie nie wirklich ankommen werden. All das enthält diese wundervolle Produktion, die mit viel Humor, Nachdenklichkeit und einem wachen Blick für die Realität erzählt wird.

„Methode Baklava“ | R: Hannah Biedermann | Di 19.5. 19 Uhr, Mi 20.5. 11 u. 19 Uhr, Do 21.5. 11 Uhr, So 7.6. 19.30 Uhr | Comedia |  0221 888 77 222

Autor

THOMAS LINDEN

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