Waldsterben 2.0

Klimawandel lässt grüßen: Herbst kommt schon vor Sommeranfang, Foto: Benni Klemann

Waldsterben 2.0

Unsere grüne Lunge pfeift noch immer aus dem letzten Loch

„Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch“ war die Losung in den 1980 Jahren, als sich die Deutschen unter der Bedrohung eines großflächigen Waldsterbens zu einer der größten Umweltschutzbewegungen einten, die es in Deutschland je gab. Großflächige Schädigungen am Waldbaumbestand führten zu der Befürchtung, der gesamte Wald sei in Gefahr. Waren bis dato nur Schädigungen durch natürliche Ursachen bekannt gewesen, so identifizierte man nun einen anderen Verursacher: Saurer Regen, der zur Übersäuerung der Waldböden führt. Die Feinwurzeln der Bäume sterben ab, der Baum wird in seinem Wasser- und Nährstoffgehalt gestört und ist Umweltbelastungen und Krankheiten nicht mehr gewachsen. Nadeln und Blätter werden abgeworfen und die Baumkrone lichtet sich. Letztlich kann der Baum absterben. Die Ursache für den sauren Regen sind Schwefelwasserstoffe und andere Gifte, die durch Privathaushalte, Verkehr und Industrie in die Luft gepumpt werden. Die Debatte sorgte für Veränderungen: In Feuerungsanlagen von Kohlekraftwerken mussten Filter zur Rauchgasentschwefelung eingebaut werden, innerhalb der EU einigte man sich auf verbindliche Abgaswerte und der Einbau von Katalysatoren in Autos wurde vorgeschrieben. Das große Waldsterben blieb aus.

Doch geht es dem Wald heute tatsächlich besser? Der Wald stirbt nicht mehr, aber gesund ist er auch nicht. Gemessen wird der Zustand des Waldes unter anderem an der Kronenverlichtung. Wiesen 1984 rund 10% der Waldfläche in Nordrhein-Westfalen eine deutliche Kronenverlichtung auf, so sind es im letzten Jahr insgesamt 26%. Auch die Fläche mit schwacher Verlichtung stieg in diesem Zeitraum um 13 Prozentpunkte. Insgesamt zeigen 72% der Waldfläche in NRW also Schäden. 2013/14 war bisher das Jahr mit der höchsten Kronenverlichtung. Doch wo liegen die Ursachen für den kranken Wald?

Im Zusammenhang mit dem Stichwort Klimawandel denkt man zunächst an die tropischen Regenwälder. Aber auch unsere Wälder können unter der globalen Erwärmung leiden. Durch höhere Temperaturen benötigen die Bäume mehr Wasser. Ist im Boden nicht ausreichend Wasser vorhanden, werfen die Bäume Blätter oder Nadeln ab um ihren Wasserverbrauch zu reduzieren. Nehmen die Trockenperioden zu und der Niederschlag ab, so kann das die Wälder dauerhaft schädigen. Außerdem vermehren sich manche Schädlinge bei zunehmenden Temperaturen massenhaft und befallen dann auch Bäume die sie sonst nicht besiedeln würden. Auch Extremereignisse wie Stürme, Starkregen, Waldbrände, etc. die mit dem Klimawandel zunehmen werden, schwächen die Wälder enorm. Zwar ist es möglich, den Wald durch bestimmte forstwirtschaftliche Maßnahmen zu stärken und dem Klimawandel anzupassen, es bleibt aber zu bedenken, dass der Wald ein langsam wachsendes und empfindliches Ökosystem ist. Schritte müssen daher schon jetzt unternommen werden.

Durch die Auswahl von Baumarten, einer guten Durchmischung der Wälder und gute Waldpflege können sich die Wälder dem Klimawandel anpassen. Das setzt eine fehlerfreie Forstwirtschaft voraus. Dass diese aber derzeit keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt der BUND-Waldreport von 2016. Dieser zeigt unter anderem zehn Negativbeispiele aus diesem Bereich. Nicht nur, dass in einigen Gebieten von massivem Holzeinschlag bis hin zum Kahlschlag die Rede ist. Auch das Fällen wertvoller Altbäume, die Entfernung von Totholz, die Schädigung von Waldböden und das teilweise in Schutzgebieten, wurden dokumentiert. Der BUND macht eine mangelnde Zusammenarbeit von Behörden und das Fehlen von gesetzlichen Vorgaben mitverantwortlich für ein solches Vorgehen.

Auch heute noch sind die Schäden durch Schadstoffemissionen von Stickoxiden durch Verkehr und Industrie ein Faktor für die Versauerung der Waldböden. Doch ein weiterer Punkt ist hinzugekommen: Die Schädigung durch den Luftschadstoff Ammoniak, oder umgewandelt, durch wasserlösliches Ammonium. Dieses wird aus der industrialisierten Massentierhaltung in die Luft und als Ammoniumsalze durch Sauren Regen in die Böden eingebracht und schädigt so Bäume, Pflanzen und Gewässer. Auch das Ausbringen von Gülle in der Landwirtschaft hat diese Folgen. Die Landwirtschaft und Massentierhaltung sind der Hauptverursacher von Ammoniak in Deutschland.

Deshalb fordern Organisationen wie Robin Wood eine ökologische Wende in der Landwirtschaft und keine neuen Genehmigungen für Anlagen zur Massentierhaltung. Letztlich hat sich die Bedrohung für den Wald also nicht verändert. Wollen wir das lebenswichtige Ökosystem erhalten, müssen wir auch in diesem Bereich nachhaltig und verantwortungsbewusst denken und handeln. Würden sich die Deutschen erneut der Debatte annehmen, wie sie es in den 1980er Jahren getan haben, könnten positive Veränderungen schneller herbeigeführt werden.

Autor

Nina Ryschawy

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