Verblendete Väter
„Luisa Miller“ an der Oper Köln
Wie so oft bei Verdi stiften die Väter Unheil. Und in Friedrich Schillers Drama „Kabale und Liebe“ von 1783 fanden der Komponist und sein Librettist Salvatore Cammarano die passende Vorlage für ihre Oper „Luisa Miller“: Zwei junge Menschen, durch ihren Stand fast unüberwindlich unterschieden, lieben sich. Mit seinem jungen Grafensohn hat der Vater ehrgeizige Pläne: Er soll standesgemäß eine Fürstin ehelichen, statt mit dem einfachen Bürgermädchen Luisa privater Leidenschaft zu frönen. Deren Vater, bei Verdi ein ausgedienter Soldat, will seine Familienehre verteidigen und fürchtet Betrug. Der Schwarm seiner Tochter, angeblich ein einfacher Jäger, wird entlarvt: Es ist der Sohn des Grafen! Klar, dass der alte Miller hier Verrat am Werke sieht.
Wer Schillers Drama kennt, mag sich kopfschüttelnd von dieser Story abwenden, in deren Konzeption die Traditionen des Sängerensembles von Neapel wichtiger waren als Dramaturgie und innere Logik. Dennoch ist Verdi mit dieser Oper des Übergangs ein Werk gelungen, das in seiner musikalischen Schönheit viele später entfaltete Ansätze birgt: Der Intrigant Wurm nimmt die Bosheit Jagos im „Otello“ vorweg, in der Vaterfigur des alten Miller – so anrührend wie verblendet – entdecken wir die zwei Seiten des Charakters von Rigoletto und die Verderben bringende Autorität des Vaters Germont in „La Traviata“.
Musikalisch gehört die Tenorarie „Quando le sere al placido“ mit ihrer Mischung von Liebe, Enttäuschung und Schmerz zum Schönsten, was Verdi geschrieben hat. In Köln wird sie von Rodrigo Porras Garulo gesungen. Der Mexikaner ist nach Stationen in Meiningen und Karlsruhe seit 2020 in Hannover Ensemblemitglied. Seine Sopranpartnerin ist Mané Galoyan, die als anrührende Luisa beim Festival von Glyndebourne triumphiert hat. Kölns neuer Intendant Hein Mulders hat „Luisa Miller“ aus Glyndebourne geholt, wo sie 2020 Premiere hatte. Mit dieser Inszenierung kann er eine Arbeit des international renommierten Christof Loy in Köln zeigen, der aus Verdis Oper eine sorgfältig ausgearbeitete psychologische Studie extremer Charaktere schafft. Am Dirigentenpult steht Roberto Rizzi Brignoli, ab Herbst Generalmusikdirektor in Mannheim und ausgewiesener Gestalter italienischen Musiktheaters.
Luisa Miller | 4.(P), 8., 10., 12., 15., 17., 19., 24., 26., 30.3, 1.4. | Oper Köln | 0221 22 12 84 00
Autor
WERNER HÄUSSNER