Stummes Arthaus und stille Blockbuster

René Clairs „Das schlafende Paris“ von 1924, Foto: Förderverein Filmkultur Bonn e.V.

Stummes Arthaus und stille Blockbuster

Schätze der Filmgeschichte bei den Bonner Stummfilmtagen

Es ist schon einmalig, was die Internationalen Bonner Stummfilmtage seit über 30 Jahren bieten. Jedes Jahr werden bei freiem Eintritt im großen Open Air-Kino alte Filmschätze ausgegraben und mit Livemusik von professionellen Musikern untermalt. Darüber hinaus gibt es noch ein didaktisches Begleitprogramm, das allen Ansprüchen genügt.

Mehrere zehntausend Zuschauer kommen jedes Jahr zu den Stummfilmtagen. Der Veranstalter – der Förderverein Filmkultur Bonn e.V. in Kooperation mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und dem Filmmuseum München – ist stolz, dass sich die Stummfilmtage längst als „das Forum für restaurierte Stummfilmklassiker … auch über die Grenzen Deutschlands hinaus“ etabliert haben. Hier werden zwar auch bekanntere Klassiker gezeigt, doch es geht auch darum, einem neugierigen Publikum noch wenig Bekanntes oder gerade erst Wiederentdecktes in bester Qualität näherzubringen. Dabei wird im atmosphärischen Arkadenhof der Universität, der bis zu 1500 Zuschauern Platz bietet, stets die bestmögliche Aufführung angestrebt. Für Cineasten sind in diesem Jahr Programmpunkte wie René Clairs surrealistischer Science-Fiction „Paris qui dort“, in dem fast die ganze Stadt durch eine Erfindung eines Wissenschaftlers in den Tiefschlaf versetzt wird, ein Pflichttermin. Der Film mit schwindelerregenden Szenen auf dem Eiffelturm existiert in verschiedenen Fassungen, zu sehen ist die Urfassung von 1924. Ein Leckerbissen und zugleich eine Ausnahme innerhalb des Festivals, da jüngeren Datums, ist „Film“ vom russischen Theaterregisseur Alan Schneider. Der drehte 1965 nach einem Drehbuch von Samuel Beckett einen Stummfilm mit Buster Keaton. Mit „Notfilm“ hat Ross Lipman im vergangenen Jahr eine Dokumentation über die Entstehung des Films gedreht, die ebenfalls gezeigt wird. „Die Rache des Kameramanns“ ist ein ganz besonderer Trickfilm aus dem Jahr 1912. Regisseur Ladislas Starewitch erzählt sein Eifersuchtsdrama mit Käfern und anderen Insekten. Sachlicher geht es in „So ist das Leben“, einem Klassiker des realistischen Films von 1930 zu. Carl Junghans erzählt die Geschichte einer Wäscherin in Prag, die unter den widrigen Bedingungen der Rezession versucht, die Familie über Wasser zu halten.

Die Stummfilmtage widmen sich nicht nur dem, was wir heute Arthaus nennen, sondern auch dem Mainstream, den Blockbustern. Die aktuelle Kölner Ausstellung „Großes Kino!“ im Kölnischen Stadtmuseum zeigt die Entwicklung des Kinos in Köln seit den Anfängen vor 120 Jahren. Schnell, das erfährt man auch dort, ist die von Experimenten und Forscherdrang gekennzeichnete Frühphase überwunden und Film ein narratives Massenmedium, das alle Genres bedient. Auch das bilden die Stummfilmtage ab: Ob Kriegsfilm („Der Luftkrieg der Zukunft“ von Walter R. Booth; 1909) mit Pappkulissen, Natur- und Abenteuerfilm („Die weiße Wüste“ von Ernst Wendt; 1922), Komödie („Hände hoch!“ von Clarence G. Badger; 1926) oder Melodram („Zwei Sterne in der Milchstraße“ von Dongshan Shi; 1931), Chaplin, Keaton, Fairbanks oder Murnau – das Internationale Stummfilmfestival gibt Mitte August wieder einen breiten und dank des Rahmenprogramms auch tiefen Einblick in die frühe Filmgeschichte.

32. Internationale Bonner Stummfilmtage | 11. – 21. August, Arkadenhof der Universität Bonn | www.internationale-stummfilmtage.de

Christian Meyer

Dieser Artikel erschien auf www.choices.de, lesen Sie weitere Artikel auf www.choices.de/kino

0