Schneller Ruhm und Verlust der Identität

„Jemand wie ich“, Foto: Ana Lukenda

Schneller Ruhm und Verlust der Identität

„Jemand wie ich“ im Kölner Schauspiel-Depot 2

Manege frei für die wilden Tiere. Noch sitzen sie sittsam auf ihren Podesten rund um das Viereck aus Licht. Dann strömen sie hinein in den hellen Kegel. Eins, zwei, drei Weibchen, fünf Männchen, oder doch nur vier und einer im Kleid, und auch einer am Klavier, doch den im Dunklen sieht man (noch) nicht. Die Raubtiere sind Schauspielschüler, junge Dinger, die es auf die Bühnen zieht. Warum? Niemand weiß es. Im Kölner Schauspiel-Depot 2 sind sie zu sehen. In dem Stück „Jemand wie ich“ von Charlotte Roos. Es sind acht Studierende der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. In Köln stellen sie sich mit der Autorin und dem Regisseur Bruno Cathomas den elementaren Fragen ihres Berufstandes, gibt es eine einfache Lösung für den angepeilten Ruhm? Was sind das für Menschen, die nicht zu wissen scheinen, wer sie sind. Erst einmal kopieren sie Hollywood. Klar, wo der Ruhm schon mal hingefallen, da kann man sich sicher fühlen. Da gibt es Rollenmuster, die einen hohen Wiedererkennungswert haben. Ein Beispiel? Blonde Perücke auf, weißes Kleid, ein Luftschacht auf der Straße. Na? Diese Szene im Gedächtnis wird an diesem Abend nicht gespielt, dafür erst einmal „Spellbound“ (USA 1945) von Alfred Hitchcock. Mit vielen Rollen für die Eleven. Doch irgendwie befriedigt das nicht, Spiel, Wirklichkeit, das Virtuelle auf der Bühne, alles nur Kratzer auf der Oberfläche.

Und dann haben die Regie und die Kostümbildnerin (Alexsandra Pavlović) auch noch die Persönlichkeit gestrichen und aus den Protagonisten irgendwelche Papierpuppen zum Ausschneiden gemacht, die Kostüme sind nicht gemalt, haben aber den typischen Umbiegeschnipsel. Eine schöne Idee für die jungen Mimen, die sich jetzt mit ihrer eigenen Identität herumschlagen müssen. Denn nicht alles ist gleichwertig, nicht die Rolle, nicht die Textmenge, nicht einmal die Position auf der Bühne. Auffällig, da eine von ihnen (zu) oft da vorne an der imaginären Rampe hüpft. Und warum das alles. Weil „jemand genau jemand wie sie sucht“? Ein Missverständnis? Wenn man den Gegenüber nicht kennt und doch sucht. Was bleibt? Der äußere Schein. Die Fassade, das blonde Haar, die fahrige Bewegung. Aber das ist doch gerade nicht die richtige Rolle, die Konkurrentin trägt das blonde Haar, obwohl sie brünett ist, oder schwarz. Die Männer fallen gern und automatisch in die Revolverhelden-Attitüde, auf der anderen Seite favorisieren sie Marilyn. Spiel mir das Lied vom Tod, oder auch nicht. Egal. Alles ist mit viel Geschwindigkeit choreografiert, aber auch mit einigen Standbildern. In der Mitte der Fläche werden Tangramwürfel zusammengesteckt, eine Landschaft entsteht. Die Rollen haben sich inzwischen aufgelöst, der Seelenstriptease beginnt zum Placebosong „Where Is My Mind“. Die Rollen kleben am Körper, werden zäh, wie wird man sie nur wieder los? Und was passiert, wenn es einfach zu viele werden? Das könnte die existenzielle Frage des Abends sein. Vielleicht sieht man ja das eine oder andere Raubtier wieder. Irgendwann.

„Jemand wie ich“ | R: Bruno Cathomas | Mi 4.1., Mi 11.1., Mi 18.1. 20 Uhr | Schauspiel Köln: Depot 2 | 0221 221 28 400

Autor

PETER ORTMANN

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