Rückkehr zum Geburtsfest
Wie wir auf die Welt kommen könnten – choices-THEMA 01/19 GEBURTS-TAG
Die Geburt war lange Zeit ein Geburtsfest, und Frauen wurden als Lebensspenderinnern verehrt. Dann prägte die christliche Auffassung des Sündenfalls unser Bild auf Frauen und Geburt. Nicht die Biologie, sondern der Glaube an einen Fluch, verkuppelte mit der Geburt den Schmerz. Im frühen Mittelalter führte die Geringschätzung von Frauen dazu, dass Frauen während der Schwangerschaft und Geburt isoliert und alle Hilfe und Heilung verboten wurden. Damit wandelte sich das Bild vom freudigen Geburtsfest zu einer gefürchteten Qual.
Auf dem Deutschen Gynäkologenkongress von 1966 wurde die Geburtsmedizin als Gegenstück der Geburtshilfe eingeführt, mit der Begründung, dass die Geburt als der gefährlichste Lebensabschnitt des Menschen anzusehen sei und die Gebärende einer medizinischen Oberaufsicht bedürfe. Die Wortwahl offenbart wie angst- und absicherungsorientiert daran herangegangen wurde.
Die Hintergründe verblassten mit der Zeit, aber die Geschichten von Schmerzen und Leid wurden von den Generationen weitergetragen. Heute kann man sich dem gesellschaftlichen Einfluss nicht entziehen. In unserer lauten Zeit scheint kein Platz für innige und unspektakuläre Geburten. Wer kennt sie nicht, die Bilder von aufgerissenen Mündern, kreischenden Frauen, hilflosen
Männern und Blut. Spätestens da wurde aus einem Millionen Jahre alten natürlichen Vorgang, eine Art von Krankheit.
Die Natur hat diesen Prozess, an dessen Ende ein vollkommenes Wesen steht, perfekt gestaltet. Sie hat die Plazenta bereitgestellt, die anders als alle anderen Organe eigenes Wachstum steuern und parallel dazu volle Funktionstüchtigkeit sicherstellt. Sie hat die Fruchtblase konzipiert einen Miniaturozean mit konstant 38 Grad warmen Wasser und regelmäßigem Wasseraustausch. Sie hat entschieden, dass das menschliche Baby im Schnitt drei Monate früher geboren wird und dann nachreift, da sonst der Kopf für die natürliche Geburt zu groß werden würde.
Um nicht missverstanden zu werden: Es ist eine Errungenschaft, dass es Ärzte und moderne Medizin gibt, die bei Bedarf und im Notfall richtig angewendet helfen – aber die Betonung liegt auf Bedarf und Notfall. Die Bedingungen für eine gesunde Schwangerschaft und Geburt, waren nie so optimal wie heute. Die Bandbreite der unterschiedlichen Ansätze und Hilfsangebote sind vielfältig.
Damit ist es an der Zeit, das Wohl und den Schutz von Mutter und Kind wieder in den Vordergrund und ökonomische Interessen, gesellschaftliche und religiöse Prägungen in den Hintergrund zu stellen. Transparenz, Aufklärung und Respekt vor der Mutter als Expertin, ausgestattet mit Gebärkompetenz, ist nötig für innere Ruhe und Vertrauen. Die Anerkennung von Schwangerschaft und Geburt als Arbeit, Interesse und Disziplin, als Leistung, die einer Besteigung des Mount Everest entspricht. Was wäre, wenn Geburt tatsächlich ein Geburtsfest wäre. Ein Fest, das man vorbereitet, soweit möglich nach seinem Wünschen gestaltet, sich mit Menschen umgibt, die einem guttun und offen für Überraschungen bleibt.
Ein Fest, dass man so feiert, wie man es mag: freudig laut, behutsam still, einprägsam intensiv. Denn es ist nicht nur wichtig, dass wir gesund zur Welt kommen. Das Wie macht den Unterschied.