„Persönlichkeitsrechte der Netzbürger schützen“ – THEMA 08/15 Digitalis
Falk Garbsch vom Chaos Computer Club über Rechte und Pflichten von Usern
choices: Welche Risiken für eine lebenswerte Gesellschaft sehen Sie im Internet?
Falk Garbsch: Das Netz ist Teil unserer Gesellschaft und muss zwingend verfügbar sein. Heutzutage spielt sich einfach alles im Netz ab. Das birgt das Risiko der flächendeckenden Überwachung. Das Netz macht es leicht, Menschen zu bespitzeln. Mit steigendem Bewusstsein für diese Möglichkeiten, sehen wir auch die Gefahr, dass die Nutzer sich bei ihren Aktivitäten im Internet gedanklich einschränken und sich eben nicht mehr frei bewegen, es könnte ja überwacht und ausgewertet werden. Wenn es zum Beispiel heute eine Stasi geben würde, wäre es ein großes Problem. Sollte politisch irgendwo in Europa die Radikalisierung mehrheitsfähig werden, denken Sie zum Beispiel an den Front National in Frankreich, hätte diese Regierung perfekte Überwachungsmethoden.

Falk Garbsch (30) ist studierter Informatiker und Softwareentwickler. Der Sprecher des CCC lebt in Hannover, Foto: Presse
Das Thema Vorratsdatenspeicherung beschäftigt uns schon lange. Was genau spricht aus CCC-Sicht dagegen?
Gegen die Vorratsdatenspeicherung spricht vor allem, dass hier Verbindungsdaten anlassunabhängig und ohne Anfangsverdacht gesammelt werden. Das ist ein unzulässiger und unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre. Dieser ist natürlich abzuwägen gegen das Bedürfnis nach Sicherheit und Unversehrtheit. Aber genau hier lässt sich feststellen, dass die Vorratsdatenspeicherung, die in anderen europäischen Ländern schon lange praktiziert wird, überhaupt nicht dazu taugt, gegen Terrorismus oder organisierte Kriminalität vorzugehen. Gefasst werden Ladendiebe und Kleinkriminelle und dies halten wir in der Abwägung gegen die Bürgerrechte für unverhältnismäßig. Oder denken Sie an den Anschlag auf Charlie Hebdo, der nicht verhindert werden konnte trotz der in Frankreich erlaubten Vorratsdatenspeicherung. Wir diskutieren gerade, was die Geheimdienste tun. Diese großen Mengen gesammelter Daten würden ihnen perfekt in die Karten spielen. Ich finde es befremdlich, dass die Politiker dies nicht wahrhaben wollen. Es scheint hier keine Lernkurve zu geben.
Welche Aufgabe hat die Politik in der digitalen Gesellschaft?
Die Politik hat in unserer digitalen Gesellschaft die Aufgabe, die notwendige Medienkompetenz der Bürger aufzubauen. Bisher sieht man bei uns zu wenig systematische Anstrengungen in diese Richtung. Die Lehrer müssten sehr viel besser ausgebildet sein, um diese Wissensvermittlung leisten zu können. Das bedeutet aber auch, dass zunächst einmal die Lehrenden an den Universitäten fit sein müssten. Wenn wir heute anfangen, Medienkompetenz in die Ausbildung zu integrieren, können wir erst in rund 30 Jahren damit rechnen, dass Schüler mit ausreichender Medienkompetenz die Schule verlassen. Wir können es uns aber nicht leisten, das Thema auf die lange Bank zu schieben.
Daneben muss der Staat für die Infrastruktur sorgen, Datenleitungen müssen Teil der Grundversorgung werden, wie Wasser- oder Stromleitungen. Die Standard-mäßige 2Mbit-Übertragung ist zu klein für heutige Anforderungen. Hier gibt es auch noch viel zu tun.
Darüber hinaus ist der Staat auch in der Pflicht, die Persönlichkeitsrechte der Netzbürger zu schützen und entsprechende Gesetze zu erlassen. Dass dies auch im internationalen Datenverkehr möglich ist, zeigt die Entscheidung, dass Personen das Ausblenden von Google-Ergebnissen jetzt beantragen können.
Wie kann sich denn ein Netzbürger selbst gegen Datenmissbrauch schützen?
Dazu gehört erst einmal ein gesellschaftlicher Diskurs darüber, welche Rechte der Einzelne im Netz haben muss, wie weit die Intimsphäre gehen soll, wie wir das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit ausbalancieren wollen. Und die Netzbürger sollten ihre Forderungen an die Politik formulieren und ihr Recht auf Schutz einfordern. Das passiert bisher zu wenig. Nur über technische Lösungen sprechen greift zu kurz. Dennoch sollten wir die Möglichkeiten nutzen, die uns zur Verfügung stehen: zum Beispiel die Daten zu verschlüsseln. Die meisten Betriebssysteme bieten heutzutage die Funktion an, die Festplatte zu verschlüsseln, auch E-Mails können verschlüsselt werden. Die Handhabung dieser Mechanismen wird immer einfacher. Wir Nutzer müssen uns nur angewöhnen, dies zu tun. Und dazu müssen wir die Gefahren des Datenklaus kennen und ernst nehmen.
Sofortnachrichtendienste wie Whats App sind Datenschützern schon lange ein Dorn im Auge, weil sie zum Beispiel die Telefonbücher der Mitglieder runterladen und damit auch Daten von Menschen weitergegeben werden, die dies nicht erlaubt haben und eventuell noch nicht einmal selbst den Dienst nutzen. In Sozialen Netzwerken sollte man, wenn man sie denn nutzen will, die Richtlinie der Datensparsamkeit einhalten, wenig hochladen, nicht alles ablegen. Die Sozialen Netzwerke möglichst nicht mobil benutzen, die Apps sammeln gegenüber den Desktop-Versionen viele zusätzliche Daten, ermöglichen zum Beispiel das Bewegungstracking. Der Trend unter Jugendlichen geht übrigens weg von einigen großen Networks wie Facebook.
Welche Folgen habe ich denn zu befürchten, wenn ich sorglos überall Daten hinterlasse?
Unternehmen handeln damit, verkaufen Persönlichkeitsprofile für die Werbung. Das mag den einen oder die andere nicht so stören. Aber natürlich sind auch der kriminellen Nutzung Tür und Tor geöffnet. Miit nur sehr wenigen Daten können Kriminelle auf meine Kosten einkaufen oder mit meiner Identität Dinge bei ebay verkaufen. Wer viele Daten sammelt, kann teilweise sogar Rückschlüsse auf Unterbewusstes ziehen und damit Menschen erpressen oder manipulieren.
Letztlich ist Wissen Macht und mit den großen Datensammlungen, zum Beispiel auch der Geheimdienste, entstehen riesige Machtmonopole, die leicht in falsche Hände geraten können. Das müssen wir dringend verhindern. Die Politik ist hier gefragt, es muss sich aber auch jeder Einzelne um sich und seine Daten kümmern.
Autor
INTERVIEW: KIRSTEN JANTKE