Musicals (nicht nur) für Kids
„The Wizard of Oz“ in Gelsenkirchen und „Oliver!“ in Koblenz – Musical in NRW 05/15
Kein Musical eignet sich mehr, um auch die Kleinen an das Genre heranzuführen. Die filmische Umsetzung des Kinderbuchs von L. Frank Baum „The Wizard of Oz“ (1939) wurde nicht nur zum Kultfilm, sondern machte auch Judy Garland zum Star und ihren Song „Somewhere Over the Rainbow“ zum Evergreen. Zudem erlebte das Technicolor-Verfahren mit „The Wizard of Oz“ seinen ersten künstlerischen Höhepunkt. Diese leuchtenden Farben sind es auch, die sich jetzt am MIR in den Kostümen von Martina Feldmann und im Bühnenbild von Britta Tönne widerspiegeln. Damit auch die Ohren in den „Original“-Genuss kommen, hat man sich entschieden, die Songs im Englischen (mit dt. Oberttiteln) zu belassen. Nicht die einzige kluge Entscheidung von Regisseurin Sandra Wissmann, die nach ihrem vielversprechenden Gesellenstück „Cabaret“ ihre Musical-Meisterprüfung mit Bravour besteht. Zusammen mit ihrem kongenialen Choreographen Sean Stephens schickt sie die kleine Dorothy mit ihrem (echten!) Hündchen Toto, einer Vogelscheuche, einem Blechmann und einem ängstlichen Löwen, zum mächtigen Zauberer Oz, der ihre Wünsche zwar nicht erfüllen kann, sie jedoch zur Selbsthilfe anleitet. Und da sind auch noch eine gute und eine böse Hexe, die das eine oder andere Wörtchen mitzureden haben. Das alles fließt durch das bis in die kleinste Nebenrolle überzeugende Ensemble, die präzis-einfallsreiche Regie und die schmissigen Tänze (bei denen man sich lediglich ein paar Step-Einlagen mehr gewünscht hätte) zu einer verzaubernden Reise über die „Yellow Brick Road“ ins Land hinter dem Regenbogen zusammen. Chapeau!
In Koblenz verließ sich Intendant und Regisseur Markus Dietze bei „Oliver!“ leider auf die holprige Übersetzung. Dafür konnte er aber mit einem Pfund gegenüber der Verfilmung (1968) wuchern. Deren einziger Schwachpunkt war die Besetzung der Titelrolle mit dem allzu süßlichen und stimmlich schwachbrüstigen Mark Foster. Dem setzte Dietze mitMariss Delamboye,dem 10-jährigen Sohn des Koblenzer Musikdirektors, eine deutlich intonierende, Spiel und Tanzschritte präzis beherrschende Entdeckung für diese oft untergehende Rolle entgegen. Denn das Hauptaugenmerk liegt meistens auf seinem jugendlichen Kumpel Artful Dodger und Faggin. Leider hat Dietze der Rolle alles Diabolische ausgetrieben, ließ Christof Maria Kaiser eher wie einen Märchenerzähler durch die stimmungsvolle Drehbühnenszenerie von Christian Binz streifen, deren historische Authentizität er auch mit seinen Kostümen betonte. Die Übermächtigkeit des Bühnenbilds ließ andererseits zu wenig Raum für ausladende Choreografien, sodass dynamische Nummern wie „Wer will kaufen, rote Rosen?“ eher im Gedränge und dem sich in den Hüften wiegenden Opernchor enden. Auch Julia Steingass durfte leider kaum zeigen, dass sie tanzen kann, betörte aber mit ihrer ausdrucksstarken Stimme. Sokonnte man der „Unperfektion“ der Inszenierung letztlich doch einiges abgewinnen.
„Der Zauberer von Oz“ | MiR, Gelsenkirchen | So 3.5. 15 Uhr, Fr 8.5. 19.30 Uhr, So 10.5./17.5. 18 Uhr, Sa 16.5. 19.30 Uhr | www.musiktheater-im-revier.de
Autor
Rolf-Ruediger Hamacher