Liebeskummer leicht gemacht

Wer hat da mit Feinspachtelmasse einen Pimmel an die Wand gemalt? Foto: Jacob Studnar

Liebeskummer leicht gemacht

Ulrich Greb inszeniert „Kabale und Liebe“ in einem geheimnisvollen Trockenbau

Von wegen Liebe. In Schillers „Kabale und Liebe“ treten im Moerser Schlosstheater eher Herrschaften ihrer Seelen gegeneinander an. Auf der einen Seite die schwarzen, auf der anderen die mausgrauen. So richtig helle Seelchen gibt es in der schmalen Rigips-Welt von Regisseur Ulrich Greb eigentlich nicht. Selbst Schillers Luise scheint geschickt mit den Variationen zu spielen, die ihr die damalige Zeit noch übrig ließ, und sie wertet alles und rechtfertigt sich dafür, dass es eine Lust ist. Da die sich bei dem Ensemble in Moers quasi immer einstellt, ein erster Blick in die Hütte des Musikus Miller (Matthias Heße darf die Hosen diesmal anbehalten!). Eine schnöde Pappwand trennt das einfache Leben vom ergaunerten Prunk des Adels. Bühnenbildnerin Birgit Angele steht für diesen genialen Sturm-und-Drang-Trockenbau, gegen den Luise (Lena Entezami mehr so Milla Jovovich-Johanna) bereits beim Eintritt des Publikums anrennt ‒ bis das Oberärmchen rot ist. Kein Mobiliar, kalte Neonröhren und den schleimigen Freier Wurm (Roman Mucha) muss sie aushalten, wenn da nicht der schicke Ferdinand (Patrick Dollas) wäre, dem man die romantische Liebe von Anfang an auch nicht so richtig abnimmt, obwohl Greb den Schiller fast in Reinform zelebrieren lässt. Und wenn sich die Mutter (Elisa Reining, die auch Lady Milfort spielt) sofort erotisch an den Jüngling schmeißt, ist klar: So viel romantische Liebe wird es in dieser Inszenierung wohl nicht geben. Wie sagt Frau Miller? Gut ist gut, besser ist besser, die Pappwand hat auch schon einen Riss.

Dafür tritt jetzt der Präsi auf, tritt sich den Weg frei durch die hohle Mauer. Frank Wickermann zwischen hingestrecktem Frank N Further und abgefeimtem Thronräuber, der längst für Liebe blechen und um die seines Sohnes kämpfen muss, pinselt mit Feinspachtelmasse geschickt einen Pimmel (nicht Schiller, dafür viel Gekicher im Publikum) an die Wand, die Wurm (der olle Speichellecker) wieder zuspachteln muss ‒ man will ja die Zugänge zwischen den (natürlich gottgegebenen) Ständen nicht offen halten. Eine gleißende Ballsaal-Miniature zur Ansicht im Gips, das reicht, auch als anbetungswürdiger Schmuck in der Miller-Stube. Mehr ist nicht, und dennoch verteidigt der Geiger die Leere als wäre es sein Leben, denn hier hat er den Hammer in der Hand. Die grandiose Inszenierung nimmt Fahrt auf, die Liebe eher nicht, ein alter Drafi-Deutscher-Song macht das Dilemma klar. Hier geht es nur noch um Klischees und am Ende um Selbstbestätigung, und da stehen die niedrigen Stände dem Adel bis zum Ende nicht nach. Genau. Das Ende. Die Kabale kennen wir ja und wie es dazu kam und warum Schiller für ein paar geradezu haarsträubende Dramaturgie-Kniffe im Stück selbst in den Turm gehört hätte.

Regieeinfall-Fließband Greb (mit Video und Neon-Lichtschau) hat den Schluss auch mit Text-Einschüben von Ingeborg Bachmann („Es war Mord“) und einem Beatles-Blackbird neu konfiguriert, die Schillersche Tragik rutscht genial ins Amüsante, bei dem das entstehende Fragenbombardement lange nachhallt: Was ist, wenn Tod und Missetat zusammenfallen? Passt Luise in einen Cello-Koffer? Und was, wenn der Galan die Reise ins Unbekannte partout nicht mitmachen will oder am Ende alle Patriarchen tot sind und die Frauen mal das Ende an der Rampe erleben? Darauf ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk. Einfach nur köstlich, dieser Abend.

„Kabale und Liebe“ | R: Ulrich Greb | 8., 16.3. je 19.30 Uhr, 10., 17. 31.3. 18 Uhr | Schlosstheater Moers | 02841 883 41 10

Autor

PETER ORTMANN

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