Kultfiguren auf der Musicalbühne
„Sherlock“ in Köln und „Rocky Horror“ in Aachen
Der deutschen Blues-Legende Richard Bargel hat es die freie Theaterszene Kölns zu verdanken, dass sie endlich ihre seit Jahrzehnten gepflegte Ignoranz gegenüber dem Genre Musical ablegt und sogar mit einer Welturaufführung aufwartet: Im von Bargel wiedereröffneten Ehrenfelder Urania Theater stand er selbst als „Sherlock“ auf der Bühne und löst mit seinem Kumpel Dr. Watson (Egmont Stawinoga) in den Wirren des 1. Weltkriegs seinen persönlichsten Fall. Der bringt ihn happyendlich mit seinem eigenen Sohn (Simeon Long), einem deutschen Spion, zusammen, von dessen Existenz er bisher nichts gewusst hatte.
Die deutsch-britische Co-Produktion wirkt ein wenig „selbstgestrickt“, was vor allem am unausgereiften Buch von Alan Wilkinson liegt, das nicht so richtig Krimi und Familiengeschichte unter einen Hut bringt. Dafür überzeugen die vielschichtigen Kompositionen des in Köln lebenden Amerikaners Steve Nobles, die mit kunstvollen, mehrstimmigen Liedern und schönen (Liebes-)Duetten aufwarten und von dem spielfreudigen Ensemble gesanglich überzeugend dargeboten werden. Dass man die Songs im englischen Original belassen hat, ist einerseits löblich, andererseits ist der Verzicht auf deutsche „Obertitel“ geradezu sträflich, transportieren die Songs doch auch die Handlung weiter. „Geburtswehen“ einer neuen Spielstätte oder inszenatorische (Regie: Marcus Brien) Blauäugigkeit? Auf jeden Fall sollte man da für die geplante Tournee durch die deutschen Lande nachbessern.

Am Aachener Grenzlandtheater hat man das Genre dagegen schon zu einer gewissen Perfektion entwickelt. Was umso bemerkenswerter ist, stellt doch die breite, schmale Bühne jedes Mal eine Herausforderung für Regie und Choreografie dar. Diesmal treten durch die „Kalendertürchen“ einer Gelsenkirchener Barock-Schrankwand (Bühnen- und Kostümbild: Steven Koop) die schrägen Figuren der „Rocky Horror Show“ an die Rampe und treiben ihr trashig-lüsternes Spiel. Angetrieben vom kräftig „mitspielenden“ Publikum und der furios aufspielenden Live-Band unter der Leitung von Gero Körner geben die Darsteller zwar ihr Bestes, wirken aber manchmal von der Regie (Udo Schürmer) alleingelassen. Marga Render holt sie dann mit ihren fetzigen Choreografien wieder aus der etwas unkonzentrierten Inszenierung heraus und gibt dem Trash so richtig Zucker.
„Sherlock“ | 26. – 30.12., 12.1., 25.1. je 20 Uhr, 31.12. 18 Uhr | Urania Theater, Köln | 30.1. 20 Uhr | Pantheon, Bonn | thesherlockmusical.com
„The Rocky Horror Show“ | bis 23.1. | Grenzlandtheater Aachen | anschl. im Umland | www.grenzlandtheater.de