Kulissen und Kojoten

Foto: Heinrich Holtgreve, Ostkreuz / Kunstmuseum Bochum

Kulissen und Kojoten

Ian Page im Kunstmuseum Bochum

Zwei Tipps vor dem Besuch der beiden räumlich verbandelten Installationen von Ian Page: Nicht allein kommen, der Wunsch nach Austausch ist zu erwarten. Und das Infoblatt zur Wohn- und Lebenssituation des US-amerikanischen Künstlers lesen. Wer ahnungslos in die Erdgeschossräume läuft, wähnt sich sonst womöglich noch mitten im Ausstellungsaufbau. Braune Fliesen, Holzleisten, kleine Hocker stehen oder liegen vereinzelt, ausgebreitet oder gestapelt an Wand und Boden. Hier noch ein Hut, da ein Sonnenschirm. Von fern ertönt Kojotengeheul zu Polizeisirenen. Die volle Aufmerksamkeit zieht aber zunächst ein stehendes Ölfass auf sich, das sich hin und wieder, von Motor und Zufallsgenerator animiert, für drei, vier Schrecksekunden laut polternd in Bewegung setzt. Von der Tonne her grinst einen das Abbild eines Sheriffs mit Patronengürtel an.

Das Fragmentarische ist Pages künstlerisches Programm. Ansatzweise kommt man ihm auf die Spur, wenn man Anspielungen auf sein Wohnumfeld in Betracht zieht: Vor Jahren hatte der Bostoner Künstler in Los Angeles ein Stück Land erworben, auf dem er zwar nicht offiziell bauen, aber in einer provisorischen Hütte ohne Strom und Wasser leben darf. Nahe Hollywood sind Kulissenbauten geduldet bzw. nicht reglementiert. Auf dem Boden des Ausstellungsraums im Museum arrangierte Page nun aus Fliesen den Grundriss eines Innenhofes, den er inmitten seiner Provisorien schon längst mal anlegen wollte, aber bislang nicht tat. Auch andere Elemente im Raum beziehen sich auf Pages Umfeld. Überwachungskameras der reichen Nachbarn hängen hier als halbfertige Bastelattrappen von der Decke – nebst realen Video-Projektionen von Sicherheitssystemen. Daneben gemalte Zäune und diverse Alltäglichkeiten, die man leicht übersieht, weil sie immer und überall zu finden ist: Unzählige identische Höckerchen mit pinken Playboy-Bunny-Aufkleber z. B., Matterhorn-Motive auf Riesenwürfeln, das Wörtchen „Since …“ oder das nächtliche Gejaule wilder Kojoten, die mit L.A. Polizeisirenen heulen. Also fast pausenlos. Was ist normal, was Liveübertragung, was signalisiert echte Gefahr? Pages Installation hat komische, aber auch mehrdeutige und unbehagliche Seiten. Gut, wenn man sich austauschen und gemeinsam rätseln kann.

Ian Page: Mein Innenhof / He do the police in different voices | bis 13.11. | Kunstmuseum Bochum | 0234 910 42 30

Autorin

Claudia Heinrich

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