Jacques und Jakob

Ausstellungseröffnung mit Henriette Reker und Claudia Hessel im Rathaus, Foto: Kölner Offenbach-Gesellschaft

Jacques und Jakob

Zum 200. Geburtstag Offenbachs und holt sich die Stadt „ihren großen Sohn“ zurück

„Hausherr der Stadt Köln“ – das soll im kommenden Jahr Jacques Offenbach sein, erklärt Kulturdezernentin der Stadt Köln Susanne Laugwitz-Aulbach. Bekannt ist er in aller Welts Ohren vor allem für das Tanzstück „Cancan“ seiner Orpheus-Operette, das auch namengebend für das Offenbach-Jahr „Yes We Can Can“ ist. Aber in den Augen der Offenbach-Gesellschaft ist er noch nicht bekannt genug. Deshalb bringt sie und die Stadt das Werk des Kölner Komponisten nicht nur in das Opernhaus, die Philharmonie und das Stadtmuseum, sondern auch in Altenheime, Schulen, in Parks und Schlösser, in den Zoo und – was für Köln nicht fehlen darf: zum Karneval. Ein Großprojekt also, die Zielgruppe könnte nicht weiter gespannt sein.

Auch inhaltlich schrecken die Veranstalter vor keiner Herausforderung zurück. Neben Klassikern werden noch nie aufgeführte Operetten und Teilstücke ausgegraben, freigelegt und interpretiert. Darüber hinaus wird in über das Jahr verteilten Podiumsdiskussion all das hinterfragt, was Offenbachs Werk über die Musik hinaus transportiert. „Yes We Can Can“ sieht den Komponisten als Brückenfigur. Er war mehr Europäer als Deutscher, ist als vom Judentum zum Katholizismus konvertierter Gläubiger ein Religionsvermittler, bahnt mit seinen emanzipierten Frauencharakteren den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft und schafft all dies trotz und wegen der Satire und dem Überschwang, mit dem er sein Publikum damals und heute überrascht.

Der Lebensweg Offenbachs passt in das offene Bild, das Köln der Welt zeigen will. Der in Köln geborene Komponist hatte eine ungewöhnliche Laufbahn. Von Haus aus Cellist, bespielte er die Kölner Straßen und schnupperte die Luft des Karnevals, zog aber zusammen mit seiner Familie recht früh nach Paris. In Köln ist er Jakob, in Paris ist er Jacques. Es folgte eine kreative Schaffenszeit, in der er sich in Paris mit irrsinnigen, aber auch von Tiefgang zeugenden Stücken einen Namen machte. Die Pariser Bühnen ließen ihm mehr Freizügigkeit als die deutschen. Hier hatte er sein eigenes Theater, in Köln hingegen Schwierigkeiten überhaupt einen Auftrittsort zu finden. Revolutionen trieben ihn zwischen den beiden Städten hin und her. In Zeiten der Unruhe ist er in Paris der Spion, in Köln der Vaterlandsverräter.

Auch Kabarettist und Musiker Konrad Beikircher feiert mit, Foto: Kölner Offenbach-GesellschaftAuch Kabarettist und Musiker Konrad Beikircher feiert mit, Foto: Kölner Offenbach-Gesellschaft

„Yes, We Can Can“ scheint diesen Konflikt versöhnen und aus dem Jacques wieder einen Jakob machen zu wollen. Köln ergreift die Initiative, die Paris verstreichen lässt, und gibt Offenbach heute nicht nur eine Bühne, sondern gleich die ganze Stadt als Bühne. Köln – eine Stadt, die sich mit Traditionen, insbesondere der des Karnevals, rühmt, hat sich verändert. Die Veranstalter des Offenbach-Jahrs bemühten sich bei der Pressekonferenz am 26.11., die Analogien zwischen Offenbachs Humor, Charme, Witz und der Kölner Mentalität zu finden und in künstlerischer Form auszuspielen.

Dieser ambitionierten Herausforderung stellen sich Kuratoren, Wissenschaftler und Künstler im kommenden Jahr. Die Vielzahl der Akteure ermöglicht, den Komponisten in einem breiten Ausschnitt und aus verschiedensten Perspektiven zu zeigen. Offenbach sei eine „Herausforderung für den Verstand und für das Herz, da er die Mechanik der Gefühle schonungslos offenlegt“, sagt Dramaturg des Gürzenich-Orchesters Patrick Hahn. Auch für den WDR sei Offenbach laut Prof. Karl Karst „keine kleine Sache“. Als European Media-Host will der Sender mit Übertragungen und Mitschnitten dafür sorgen, dass die Strahlkraft über Köln hinausgeht. Auch die Podiumsdiskussionen werden hier stattfinden.

Ganz Köln macht sich auf Entdeckungsreise. Feierlich fiel im historischen Rathaus vergangenen Montag der Startschuss. Festredner Konrad Beikircher erinnerte an die harsche Kritik und Verharmlosung sowie die Vertreibung und Verleumdung, der der Musiker seinerzeit ausgesetzt war. Es sei an der höchsten Zeit, Offenbach der Kunst wiederzugeben und ihn wieder „zu frechem, frischen und boshaft lachendem Leben zu erwecken“.

Gürzenich-Orchester: Neujahrskonzert – Offenbachiade | So 6.1. 11 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280 | www.yeswecancan.koeln

Autorin

ANN-CHRISTIN BLOCH

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