Ist ja irre – Diese Nazis

Heil

Ist ja irre – Diese Nazis

Die Filmstarts der Woche

Nach seiner ästhetisch sehr formalen Abrechnung mit christlichem Extremismus in „Kreuzweg“ widmet sich Dietrich Brüggemann in „Heil“ allem anderen: Neonazis inklusive der Hipstervariante Nipster, Verfassungsschutz, Politik, Polizei, Medien – in der filmisch konträr zu „Kreuzweg“ angelegten Groteske bekommt jeder sein Fett weg. Dass bei einer derart brachialen Methode nicht nur feine Skulpturen geschnitzt werden, ist klar. Brüggemann schreddert laut tönend durch den bundesrepublikanischen Irrsinn und lässt einen Schwarzen mit Gedächtnisschwund zum Aushängeschild einer modernen Nazitruppe werden, während der Verfassungsschutz den Umsturz finanziert und die Medienwelt den Ereignissen hinterher hechelt. Unzählige Cameoauftritte von Andreas Dresen bis zu Brüggemann selbst würzen diese Groteske.

Da könnte er mit seinen 76 Jahren doch endlich mal beweisen, dass auch Rentner Mumm in den Knochen haben und die Welt verbessern können: Jacob Kaplan ist fest davon überzeugt, dass der Strandbar-Besitzer Julius Reich ein Nazi ist und will ihn – wie weiland der israelische Geheimdienst Eichmann – kidnappen und seiner gerechten Strafe zuführen. Als er seinen gelegentlichen Chauffeur Wilson, ein heruntergekommener ehemaliger Polizist, für den Coup anheuert, gerät das Ganze zu einem amüsant-melancholischen Don-Quichotte/Sancho-Panza-Abenteuer. Alvaro Brechners Komödie „Señor Kaplan“ entlockt dabei den drei Hauptdarstellern gekonnt jene Zwischentöne, die wunderbar mit der Ambivalenz der überraschend endenden Geschichte korrespondieren.

Nach dem fast Dogma-artigen „Die Jagd“ trumpft Thomas Vinterberg mit seiner Verfilmung von Thomas Hardys Roman von 1874 mit einem Melodram auf: Die junge, freiheitsliebende Bathsheba muss sich gleich drei Männer vom Hals schaffen, doch als sie sich schließlich einem von ihnen hingibt, löst das ein Drama aus. John Schlesingers Verfilmung „Die Herrin von Thornhill“ aus dem Jahr 1967 ist gar nicht so weit entfernt, doch Vinterbergs Drama „Am grünen Rand der Welt“ wirkt konzentrierter: Das zurückhaltende Spiel der Protagonisten – Carey Mulligan ist in der Tat zum Verlieben und Matthis Schoenarts („Bullhead“) spielt den geheimnisvollen Helden – kontert er mit satten Bildern von großer Schönheit und einem leicht schwülstigen Soundtrack.

„Ich glaube nicht, dass ich jemals berühmt werde. Außerdem könnte ich bestimmt nicht mit dem Erfolg umgehen. Wahrscheinlich würde ich durchdrehen.“ Eigentlich könnte man meinen, dass bereits alles über Amy Winehouse gesagt wurde, doch Asif Kapadia wirft in seiner Biografie „Amy“ einen bemerkenswert persönlichen Blick auf das Leben des Popstars. Wie in seinem „Senna“ verzichtet er darauf, die Interviewpartner zu zeigen, und verwendet stattdessen zahlreiche bisher unveröffentlichte (Privat-)Aufnahmen. Der Film ist dann am stärksten, wenn er an das einzigartige Talent von Winehouse erinnert, die ihre Karriere als Jazz-Sängerin begann und leider viel zu früh auch wieder beendete – im Duett mit ihrem Idol Tony Bennett.

Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Doug Aitkens Amerika-Doku „Station to Station“, Justus von Dohnányis Gangsterkomödie „Desaster“ und Levan Gabriadzes Horror-Session „Unknown User“.

Autor

REDAKTION trailer-ruhr.de

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