Gott und Nationalsozialismus
Theo Beckers Bilder im NS DOK
Ihren Glauben an Gott und den Nationalsozialismus vereinten viele Deutsche in einer Religiosität, die aus heutiger Perspektive rätselhaft erscheint. Während des NS-Regimes fügten sich Christen den menschenverachtenden Ideologien der Machthaber trotz des kirchlichen Grundsatzes der Nächstenliebe.
Als Nazi-Hochburg und Zentrum des Katholizismus erlebten auch die Kölner den täglichen Widerspruch zwischen Humanismus und Gewalt unter dem Hakenkreuz. Dass Weltanschauungen sich nicht in der Gläubigkeit oder Verehrung erschöpfen, sondern erst durch die Folgsamkeit ihren Bestand sichern, gilt dabei für politische wie geistliche Herrschaftsansprüche. Als leidenschaftlicher NSDAP-Anhänger und Katholik schmückten Theo Beckers‘ Arbeitszimmer Madonnenbilder sowie Portraits von Adolf Hitler. Zu kirchlichen Veranstaltungen erschien der 1914 in Deutz geborene Sohn einer Hausfrau und eines Volksschullehrers mitunter in Uniform eines HJ-Funktionärs. Vermutlich wäre Beckers als loyaler Systembefürworter nicht weiter in Erscheinung getreten, hätte er nicht die Fotografie als Hobby entdeckt.
Auf rund 80.000 Aufnahmen brachte es der 2003 verstorbene Zahntechniker. 2018 erwarb das NS DOK einen umfassenden Bestand. 300 Bilder aus dem Zeitraum 1933 bis 1937 werden jetzt der Öffentlichkeit gezeigt. Die Motive zeigen den Alltag auf Straßen, Plätzen oder in Privaträumen. Beckers dokumentierte Ausflüge mit den 10- bis 14-jährigen Pimpfen des Jungvolks, politische Aufmärsche und Prozessionen. Dabei zeigt sich kein Leid, keine Not spricht aus den Gesichtern. Im Gegenteil zeugen die Dokumente von Zufriedenheit, Stolz und Dynamik einer Welt, wie sie der Fotograf sehen wollte, während die Eingriffe in Freiheitsrechte sowie die Anfeindungen gegen jüdische Mitbürger stetig voranschritten. „Lediglich auf einigen Bildern von Rosenmontagszügen erkennt man den Antisemitismus anhand der Gestaltung von Karnevalswagen deutlich“, erklärt Kuratorin Hanne Leßau. Beckers habe sich später in Gesprächen vom Rassenwahn und den Verbrechen der Nazis distanziert und dem NS-Dokumentationszentrum seine Sammlung angeboten. „Wir möchten auf die Vereinbarung von Gottesfurcht und Diktatur keine absolute Aussage tätigen. Diese Frage werden sich die Ausstellungsbesucher vielleicht selbst stellen und beantworten“, so Leßau.
Theo Beckers. Ein junger Nationalsozialist fotografiert Köln | bis 18.9. | NS Dokumentationszentrum | www.nsdok.de
Autor
THOMAS DAHL