Gegen Zeit und Zerstörung – für Liebe und Leben

Gewinner des Literaturpreises Ruhr 2015 Sascha Reh in Bochum, Foto: Ulrich Schröder

Gegen Zeit und Zerstörung – für Liebe und Leben

Literatur in Bochum, Herne und Hattingen – Lesezeichen 03/16

Obwohl die großen Ambitionen der Kulturhauptstadt 2010 beispielsweise beim Bau des Bochumer Musikforums immer noch nachwirken, lässt ein „Literaturhaus Ruhr“ weiterhin auf sich warten. Somit müsse eine renommierte Institution wie die 1905 gegründete Literarische Gesellschaft Bochum nach wie vor mit ihren Veranstaltungen „nomadisieren“, bilanziert Prof. Dr. Ralph Köhnen, einer ihrer beiden Sprecher. Dennoch konnten am 27.1. und 4.2. wieder zwei Ausrufezeichen gesetzt werden: Im bis auf den letzten Stehplatz gefüllten „Biercafé“ unweit des Schauspielhauses stellte Werner Streletz seinen voraussichtlich im April erscheinenden Roman „Rückkehr eines Lokalreporters“ vor; dort hält er jenem Metier kritisch den Spiegel vor, das ihn fast dreieinhalb Jahrzehnte lang geprägt hat. In der Woche darauf las der Duisburger Romanautor Sascha Reh, Hauptpreisträger des Literaturpreises Ruhr 2015, in der Bochumer Buchhandlung Janssen vor 25 Gästen aus seinem neusten Roman „Gegen die Zeit“, wo er sich mit den Abgründen der faschistischen chilenischen Diktatur unter Pinochet auseinandersetzt und zugleich aktuelle Risiken der Cybergesellschaft reflektiert. Mit der Verleihung des Preises für sein bisheriges Gesamtwerk hat die Jury des Literaturbüros Gladbeck sowie des Regionalverbands Ruhr (RVR) eine denkbar gute Wahl getroffen.

Was in Bochum noch auf sich warten lässt, wird in der nördlichen Nachbarstadt gerade Realität: Aus der Alten Druckerei wird das Literaturhaus Herne, das mehr denn je zu einem zentralen Treffunkt für Literaturbegeisterte werden soll. Dass das Kulturzentrum dies jetzt schon leistet, war bei der letzten Lesung unter altem Namen zu erleben: Über 120 Besucher lauschten am 1.2. gebannt und gerührt der Schauspielerin Leslie Malton, die aus ihrem „Brief an meine Schwester“ las – eine bewegende autobiografische Darstellung der Beziehung zu ihrer geliebten Schwester Marion, die an einer unheilbaren Entwicklungsstörung, dem Rett-Syndrom, leidet. Was wird nun anders, wenn aus der Alten Druckerei ein klassisches Literaturhaus wird? „Wir wollen Kultur fördern, auch über Veranstaltungen hinaus“, erklärt Elisabeth Röttsches. In Sachen Kulturevents ist die Alte Druckerei bereits seit 2009 ein fester Anlaufpunkt.

Prominenz ist in der Stadtbibliothek Hattingen zu Gast, wo Night-Talker Jürgen Domian über existenzielle Fragen philosophiert, als er am 6.2. sein jüngstes Buch „Richtig leben … und dann tu, was du willst“ im Reschop-Carré vorstellte. „Literatur im Carré ist schon eine Marke geworden“, sagt Bibliotheksleiter Bernd Jeucken – 120 veräußerte Tickets für die schon seit Wochen ausverkaufte Samstagabend-Veranstaltung belegen dies. Nach dem dokumentarisch verfilmten Vorgänger „Interview mit dem Tod“, wo sich Domian mit dem Sterben auseinandersetzt, hat er den literarischen Fokus deutlich variiert: „Ich habe ein Buch über den Tod geschrieben und gedacht, ich muss auch noch eins übers Leben schreiben“, so der Autor. Dennoch arbeitet er sich darin leitmotivisch ausgerechnet an den ‚Sieben Todsünden‘ ab, um als ehemaliger Atheist auf der Suche nach Gott schließlich – passend zum aktuellen Zeitgeist – beim Zen-Buddhismus zu landen.

Literaturszene im Ruhrgebiet: Literarische Gesellschaft Bochum
www.literarische-gesellschaft-bochum.de

Autor

ULRICH SCHRÖDER UND DOMINIK LENZE

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