Fangen wir an, aufzuhören
Sicherheitspolitik auf Kosten der Umwelt
Der Überfall Russlands auf die Ukraine markiert eine Zäsur in der europäischen Geschichte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) macht mobil: Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und das Versprechen, mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in die Verteidigung zu investieren, sollen gegen einen vermeintlichen Gegner wappnen. Fossile Energieträger verbinden Deutschland wirtschaftlich mit Russland – ob, Kohle, Öl oder Gas, wir beziehen sie zu einem großen Teil daher. Sich aus diesen Abhängigkeiten zu lösen ist dringend geboten. Indirekt finanzieren sie über Devisen das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Scholz spricht von „einer vorausschauenden Energiepolitik“, die entscheidend sei, „auch für die deutsche Sicherheit“. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat errechnet, über den Zeitraum eines Quartals ließen sich in Industriestaaten durch simple Maßnahmen 6,3 Prozent Öl einsparen. Große Lenkungswirkung hätten dabei Tempolimits auf Autobahnen, autofreie Sonntage und drei Tage Homeoffice pro Woche, in Berufen, die das erlauben. Wir schafften es besser, uns von russischem Erdöl unabhängig zu machen als vom Erdgas, so Vizekanzler Robert Habeck. Letzteres ist Pipeline-gebunden und dadurch schlechter zu ersetzen.
Krise auf Krise
Auf dem Weg zur grünen Null, die Scholz für Deutschland für das Jahr 2045 prognostiziert, führt es in der Folge zu Entscheidungen, für die es vielleicht bei sorgfältigerer Abwägung bessere Optionen gegeben hätte, so bei der künftigen Energiepartnerschaft zum Emirat Katar, initiiert von Habeck.
Ob der Russland-Ukraine-Krieg hierzulande den Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigt, bleibt abzuwarten. Vielmehr verstärkt sich das Gefühl, Krise reihe sich weiterhin an Krise, wie schon in der Ära Merkel. Die Befürchtung kommt auf, sinnentlehrt werde in alte Technologien investiert und kostbare Zeit verschwendet.
Kein Wunder also, dass die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken neu diskutiert wird. Es ist aber keine Option, AKWs weiter laufen zu lassen und Deutschlands Pionierrolle beim Atomausstieg aufzugeben. Die EU-Taxonomie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Endlagerfrage und ihre Folgekosten in ihr Szenario nicht eingepreist sind. Sie denkt die Nutzung nuklearer Energie nur vom Ist-Zustand der CO2-Emissionen her. Das ist ein Taschenspielertrick und sendet falsche Signale an Investoren.
Umweltministerium kleingerechnet
Der Bundeshaushalt 2022 ist noch nicht beschlossen, doch das Bundesministerium für Umwelt- und Naturschutz plant mit etwa 3 Milliarden. Ist das nicht klein gerechnet, gemessen am Sondervermögen für die Bundeswehr? Dabei braucht es auch hier eine Zeitenwende! Die Corona-Pandemie zwang die Klimabewegung in die Knie, Menschenansammlungen waren tabu. Große Demonstrationen blieben aus oder verlagerten sich ins Digitale. Der globale Klimastreik der Fridays for Future (FFF) unter dem Motto „Fight every crisis“ wurde zur Kunstaktion zehntausender am Boden liegender Pappschilder vor dem Bundestag als Zeichen einer weiterhin wachen Demokratie. Mit dem Hashtag NetzstreikFuersKlima wurde virtuell aufgefahren was unter Realbedingungen nicht möglich schien.
Wir sollten skandalisieren anstatt uns mit dem Status Quo zu begnügen: Wilde Natur, saubere Gewässer, ruhige Städte – sie stehen uns allen zu. Wir kennen die Konsequenzen von Flächenversiegelung, Lärm- und Luftverschmutzung. Die Klimabewegung wird also wieder laut werden müssen, auch, um angemessene Umwelt- und Naturschutzbudgets zu fordern.
ZEITENWENDE – Aktiv im Thema
iwkoeln.de | Die Ökonomin Sarah Fluchs skizziert in den Nachrichten des Instituts der deutschen Wirtschaft, wie Kriege die Umwelt schädigen.
nabu.de/news | Der Naturschutzbund Deutschland betont angesichts des Kriegs in der Ukraine den Zusammenhang von sicherheits- und umweltpolitischen Herausforderungen.
greenpeace.de/frieden/krieg-umwelt | Der Greenpeace-Beitrag diskutiert am Beispiel des Irak, wie Kriege sich gezielt auch gegen die Umwelt richten.