Exekutivorgane beim lustigen Reigen

Friedrich Schillers Kommissariat in beige und grün, Foto: Jakob Studnar

Exekutivorgane beim lustigen Reigen

„Die Polizey“ am Theater Moers

Schon der Einlass geriert zur Performance. Name, Beruf, Karte? Und – etwas drängender: „Nicht auf den grünen Teppich treten!“ Das Publikum gehorcht willig. Ganz im Sinne von Friedrich Schiller: „Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen!“ Recht so. Aufgereiht im großen Flur nimmt das Spiel zwischen Schreibtisch und qualmenden Zigarettenasche-Eimer seinen polizeilichen Lauf. Anna-Elisabeth Frick inszeniert am Theater Moers ihre Version von Friedrich Schillers „Die Polizey“, dem unvollendeten Fragment des deutschen Dichterfürsten im Sturm und Drang. Kein Stück, sondern eher eine Materialsammlung über die dunklen Quartiere von Paris und ihrer Kommissäre. Und so bleibt der Abend dramaturgisch auch recht fragmentarisch, mehr eine Choreografie von Handlungen mit Textfetzen, die sich um Aufklärung von Verbrechen in „P“ dreht, angereichert mit Assoziationen aus diversen Kriminalfällen der Literatur.

Running Gag ist das immer wieder unpassend klingelnde Bakelit-Telefon, das mit einem Spot bestrahlt und nach Hörerabnahme nur unverständliches Stöhnen oder gepresstes „Seid umschlungen Millionen“ von sich gibt. Ein modernes Schild mit Aufschrift „Vorsicht Rutschgefahr“ stellt alle Zeitebenen in Frage, die zwischen Schillers 18. Jahrhundert und heute pendeln. Zwischen Aktenschränken und Hängeregistratur rennen, schleichen, kriechen die Protagonisten und ein böser Orang-Utan durch die verqualmten Handlungsstränge. Schicke beige-grüne Kostüme und Accessoires (Martha Pinsker) generieren eine nonchalante Leichtigkeit der polizeilichen Täterschaft, die ja eigentlich Ordnungsmacht ist. Der böse Orang-Utan gehört eigentlich nicht zu Schiller, sondern zu den Morden in der Rue Morgue von Edgar Allan Poe, dessen DetektiveC. Auguste Dupin das Verbrechen „deduktiv“ aufklärt und das Verfahren lang und breit erklärt,denn nur dank seines brillanten analytischen Verstandes findet er die Lösung in der Kurzgeschichte.

„Haben Sie das verstanden?“ wird das Publikum mehrfach gefragt, Deduktion ist eben nicht einfach. Dann wird sich wieder am Spind umgekleidet, mündet die Spurensuche in Gewalt, scheint Schillers Ordnungsmacht Teilen der heutigen sehr ähnlich zu sein, auch da wurden Berichte eines Handelns zwischen epidemischer Hoffnungslosigkeit und gieriger Bereicherung am Verbrechertum laut. Da fließt auch schon mal Blut, und es fliegen die Fetzen, aber es wird wieder aufgeräumt. Ordnung muss eben sein. Weiter rauscht die Regie mit vielen Ideen durch die Nummernrevue. Jetzt geht es um Luis Buñuels vermisste Aliette des Ehepaars Legendre. „Aber ich bin doch da“. Sie steht bei der Anzeige neben dem Kommissar am Schreibtisch, bevor man sie endlich suchen geht. Absurd, grotesk. Und jetzt kommt noch Mitmachtheater dazu. Einzelne Zuschauer werden ins Stück gezogen, aber glücklicherweise nicht von den Sitzen, Break. Drei, vier ein Lied: „Ach, der Tugend schöne Werke, gerne möcht ich sie erwischen, doch ich merke, doch ich merke, immer kommt mir was dazwischen.“ Das ist Wilhelm Busch und auch der ist eine eingeschobene Assoziation in Ermangelung echter Substanz in Schillers Fragment. Dann doch noch einmal eine Zigarette unter dem Absauger. Und ein echtes Waschritual nach Pilatus (nicht Pilates). Die trügerische Unschuld kehrt zurück.

Die Polizey | Do 9., 10.12. 19.30 Uhr | Schlosstheater Moers | 02841 888 54 48

Autor

PETER ORTMANN

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