Eine Welt namens Wirklichkeit

Good News: „Un Paese di Calabria“, Foto: Tita Productions

Eine Welt namens Wirklichkeit

Das Dokumentarfilmfestival „Stranger than Fiction“

Das Kölner Dokumentarfilmfestival, das seit einigen Jahren sein Programm auch in vielen anderen Städten in NRW wie Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Mülheim und Münster oft als Premieren und mit vielen Gästen präsentiert, hat sich in den letzten 18 Jahren mit der Präsentation von Filmen einen Namen gemacht, die eine Welt zeigen, die spannender, verrückter und außergewöhnlicher erscheint als alles, was man sich in Spielfilmen so ausdenken könnte. Diese Welt nennt sich Wirklichkeit. Anfang 2017 ist es leider ein Allgemeinplatz geworden, dass die Wirklichkeit verrückter ist als die Fiktionen aus Hollywood. An den Qualitäten des Festivals und der Filme, die es zeigt, ändern aber weder Terror, Krieg, Vertreibung, Korruption, Spionage noch fragwürdige Machthaber etwas. Im Gegenteil: Die hier gezeigten Filme ermöglichen es uns, diesen Irrsinn etwas besser zu verstehen. Mit einem genauen Blick auf die Vergangenheit, die Zukunft und natürlich die Gegenwart.

Selbstverständlich ist die Flüchtlingskrise ein Thema auf dem Festival: Philip Scheffner sucht einen ungewöhnlichen Umgang: Ein Loop einer Archivaufnahme von Flüchtlingen in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer unterlegt er mit Gesprächen von Flüchtlingen, Arbeitern auf Frachtschiffen und dem Funkverkehr auf dem Mittelmeer zur Situation der Flüchtlingskrise („Havarie“). Gleich mehrere Filme widmen sich Themen in Afrika und dem Nahen Osten: „Cahier africain ist ein Protokoll von den überlebenden Opfern von Kriegsverbrechen im Kongo. Filme wie „The Art of Moving“ oder „Un Paese di Calabria“ zeigen auch, was Menschen tun, um diese Welt zu einer besseren zu machen. „The Art of Moving“, der als NRW-Premiere auf dem Festival läuft, porträtiert eine Gruppe von syrischen Videoaktivistinnen, die in der Türkei lebt und allen Anfeindungen in den Sozialen Netzwerken trotzt. Der italienische Film „Un Paese di Calabria“ ist nicht nur ein Paradebeispiel für Good News. Er erzählt in einer wundersamen Geschichte, wie es auch anders gehen kann als in den täglichen negativen Schlagzeilen: Als im Jahr 2008 ein Schiff mit 200 Kurden an der Küste des italienischen Dorfs Riace strandet, nehmen die Dorfbewohner die Fremden in den leerstehenden Häusern auf. Denn das Dorf war schon lange von der Landflucht betroffen. Kurz darauf blüht die Region wieder auf – dank der neuen Mitbewohner. Auch die Dokumentation „Martha & Niki“ schert aus dem üblichen Problemkatalog aus und lässt uns an der ungewöhnlichen Karriere zweier Musikerinnen teilhaben, die als erste afrikanische Rapperinnen World Champions geworden sind. Musikdokumentationen gibt es mehrere auf dem Festival. Am prominentesten ist sicherlich Jim Jarmuschs heiß erwarteter neuer Film „Gimme Danger“, mit dem er sich Iggy Pop und seiner ersten Band The Stooges widmet, einer der bedeutendsten Rockbands der Geschichte, die lange vor Punk half, die 60er Jahre auszutreiben. Durch seine besondere Perspektive fasziniert „S for Stanley“, der von dem Italiener Emilio erzählt, der nach dem schnellen Ende seiner Rennfahrerkarriere Fahrer in der Filmbranche wurde, vor allem für Stanley Kubrick.

Neben internationalen Dokumentarfilmen zeigt das Festival ab dem 27. Januar auch gezielt Filme aus der agilen Dokumentarfilmszene in NRW. Susanne Binninger, die Gewinnerin des Gerd-Ruge-Stipendiums 2016, wird in einem Werkstattgespräch außerdem über die Arbeit an ihren Film „Fighter“ sprechen, der einen Mixed Martial Arts-Kämpfer begleitet.

Dokumentarfilmfest „Stranger than Fiction“ | ab 27.1. | www.strangerthanfiction-nrw.de

Das Programm:

Fr. 27.1. 19:00: Beer Brothers (Endstation Bochum, mit Regisseuren Michael Chauvistré und Miriam Pucitta)
Fr. 27.1. 21:00: Gimme Danger (OmU, Endstation Bochum)
Sa. 28.1. 19:00: Martha & Niki (OmeU, Endstation Bochum)
So. 29.1. 17:00: Erzähl es niemandem! (Endstation Bochum, mit Regisseur Klaus Martens und Autorin Randi Crott)
So. 29.1. 19:00: Fighter (Endstation Bochum, mit Regisseurin Susanne Binninger)
Mo. 30.1. 19:00: KHM Kurzfilmprogramm (Endstation Bochum, mit Regisseuren Julius Dommer und Jens Mühlhoff)
Mo. 30.1. 20:00: Erzähl es niemandem! (Filmstudio Essen, mit Regisseur Klaus Martens)
Mo. 30.1. 21:00: Kokolampy (sweetSixteen Dortmund, mit Regisseur Hajo Schomerus)
Di. 31.1. 18:00: Erzähl es niemandem! (filmforum Duisburg, mit Regisseur Klaus Martens)
Di. 31.1. 19:00: The Art of Moving (OmeU, Endstation Bochum, mit Filmteam)
Di. 31.1. 20:00: Bruder Jakob (Rio Mülheim, mit Regisseur Elí Roland Sachs)
Mi. 1.2. 19:00: Return oft the Atom (OmU, Endstation Bochum)

Do. 2.2. 18:00: Kokolampy (filmforum Duisburg, mit Regisseur Hajo Schomerus)
Do. 2.2. 19:00: Erzähl es nienandem! (sweetSixteen Dortmund, mit Regisseur Klaus Martens und Autorin Randi Crott)
Sa. 4.2. 17:00: Cahier Africain (OmU, sweetSixteen Dortmund)
Sa. 4.2. 17:30: Zum Schluss bleibt nur die Berberitze (Rio Mülheim)
Sa. 4.2. 18:00: Erzähl es niemandem! (filmforum Duisburg)
So. 5.2. 15:00: Erzähl es niemandem! (Filmstudio Essen)
So. 5.2. 19:00: Shakespeares Insel (sweetSixteen Dortmund, mit Regisseur Fosco Dubini)
Mo. 6.2. 17:00: The Art of Moving (OmeU, sweetSixteen, Dortmund)
Mo. 6.2. 17:45: Erzähl es niemandem! (Filmstudio Essen)
Mo. 6.2. 18:00: Erzähl es niemandem! (filmforum Duisburg)
Mo. 6.2. 21:00: Un paese di Calabria (OmeU, sweetSixteen Dortmund)
Di. 7.2. 18:00: Beer Brothers (filmforum Duisburg)
Di. 7.2. 20:00: Kokolampy (Rio Mülheim, mit Regisseur Hajo Schomerus)
Mi. 8.2. 17:45: Erzähl es niemandem! (Filmstudio Essen)

Do. 9.2. 18:00: Shakespeares Insel (filmforum Duisburg, mit Regisseur Fosco Dubini)
Sa. 11.2. 17:30: Shakespeares Insel (Filmstudio Essen, mit Regisseur Fosco Dubini)

Autor

CHRISTIAN MEYER-PRÖPSTL

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