Duell der Duos

„West Side Story“, Foto: Thilo Beu

Duell der Duos

„Sherlock Musical“ und „West Side Story“

Im amerikanischen Showbusiness ist es üblich, Musicals in sogenannten Tryouts in anderen Städten auszuprobieren, ehe sie am Broadway Premiere feiern. Manche Musicals „sterben“ aber auch auf diesem Weg. In Köln ging man nun einen radikalen Weg. Der Welturaufführung von „Sherlock“ im letzten Jahr folgte nun eine zweite, hat man doch die vielschichtige Musik von Steve Nobles gegen die populärer klingenden Kompositionen von Vladislav Bakhanov ausgetauscht. Außerdem gelang es Regisseurin Bettina Montazem die erste deutsche Christina des „Phantom der Oper“, Anna Maria Kaufmann, für die Rolle der 1. Weltkriegs-Spionin Mata Hari zu gewinnen, die wie ihr deutscher Kontrahent Peter hinter einer möglicherweise kriegsentscheidenden Erfindung her ist. Als Sherlock Holmes (Richard Bargel) und sein treuer Freund Watson (Claus Wilcke) in den Fall involviert werden, wird aus dem politischen auch ein persönliches Drama – denn Peter entpuppt sich als Sherlocks unehelicher Sohn…

Hatte die Oper Bonn schon letztes Jahr mit „Kiss Me, Kate“ den Broadway an den Rhein geholt, so wiederholte sich jetzt dieser Glücksgriff: Sobald sich der Vorhang zu „West Side Story“ hebt, bleibt einem ob des überwältigenden Bühnenbilds (Dirk Hofacker) vor Staunen der Mund offen stehen. In die New Yorker U-Bahn-Station – in der ein Hauptteil der aus den 50er Jahren in die Jetztzeit verlegten Handlung spielt – fahren U-Bahnen ein, deren Inneres auch als Spielfläche dient. Diese Atmosphäre schafft kongenial Raum für den schwierigen Weg, den 1957 Komponist Leonard Bernstein eingeschlagen hatte, um ein Gesamtkunstwerk zwischen Oper und Broadway, Realismus und Poesie, Choreografie und Schauspiel zu schaffen. Gleich mit den ersten Takten des Prologs wird man hereingezogen in die Bandenwelt New Yorks: die „Jets“ werden mit jazzhaften Klängen charakterisiert, die „Sharks“ durch lateinamerikanische Rhythmen. Sofort ist das Thema der (Jugendbanden-)Gewalt und Rassismus präsent, das ja bis heute aktuell geblieben ist. Und da wir unseren Shakespeare kennen, dessen „Romeo und Julia“ offensichtlich Pate gestanden hat, wissen wir, dass es kein Happy-End geben wird – dafür aber großes Musical!

„Das Sherlock Musical“ | bis 27.11. | Urania-Theater Köln | 0221 17 09 82 60

„West Side Story“ | bis Juni 2020 | Oper Bonn | 0228 77 80 08

Autor

ROLF-RUEDIGER HAMACHER

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