Des Seemanns Apokalypse

Regisseur Benjamin Lazar, Foto: Nathaniel Baruch

Des Seemanns Apokalypse

„Der fliegende Holländer“ an der Oper Köln

Alle sieben Jahre, so sagt es Richard Wagners Libretto, wirft das Meer den „Fliegenden Holländer“ ans Land, auf dass er sich ein Weib suche, welches ihm Erlösung durch ew’ge Treu‘ gewähre. In Köln hat es ein gutes Jahrzehnt gedauert, bis der bleiche Seemann einmal wieder an der Oper andockt. Das letzte Mal fand er seinen Hafen noch im Opernhaus – als letzte Produktion vor der Schließung. Jetzt muss er sich immer noch mit dem Staatenhaus begnügen: Wann Intendant Hein Mulders mit Mann und Maus wohl den frisch renovierten Operntanker am Offenbachplatz übernehmen kann?

2012 war es Dietrich W. Hilsdorf, der eine atmosphärisch dichte, im frühkapitalistischen Bürgertum spielende Inszenierung erarbeitet hat. Eine Erlösung für den Verfluchten war für ihn nicht denkbar. Der Regisseur des Kölner „Holländers“ anno 2023 ist Benjamin Lazar. Er hat sich am Rhein mit einer viel beachteten Deutung von George Benjamins „Written on skin“ empfohlen. Für seine Aufgabe ist er nicht zu beneiden: Wagners 1843 uraufgeführtes Seestück ist weitgehend ausinszeniert: Seit Harry Kupfers radikaler Erlösungsverweigerung in Bayreuth 1978 hat es von psychoanalytischen und symbolistischen Spielarten bis hin zur Bayreuther Überschreibung von Dmitri Tscherniakov (2021) Dutzende von Deutungen gegeben.

In der Region stammt die jüngste an der Deutschen Oper am Rhein (Holländer als Filmstar, dem Teenager Senta verfällt) vom jungen Regiestar Vasily Barkhatov. Und in Krefeld-Mönchengladbach richtete der erfahrene Roman Hovenbitzer seinen Blick auf Senta, die sich in einer Männergesellschaft mit ihren Träumen behaupten muss. Senta, so heißt es auf der Webseite der Oper Köln, stehe auch bei Lazar im Fokus einer „apokalyptischen Lesart“.

Die Wogen des musikalischen Meeres lässt am Pult des Gürzenich Orchesters dessen (noch) amtierender Chef François-Xavier Roth aufrauschen; in der Titelrolle alternieren James Rutherford und Joachim Goltz. Als Senta bringt Hein Mulders die Schwedin Ingela Brimberg an den Rhein, die in Köln bereits die Tosca gesungen hat. Die studierte Psychologin hat reiche Erfahrung mit der Partie, die sie u.a. in Berlin, Hamburg und Wien gesungen, unter Marc Minkowski auf CD und unter Pablo Heras-Casado in Madrid auf DVD aufgenommen hat.

Der fliegende Holländer | 2., 4., 8., 15., 19., 21., 23., 26., 29.4., 5., 7.5. | Oper Köln | 0221 22 12 84 00

Autor

WERNER HÄUSSNER

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