Bedrohte Vielfalt
Erhöhung der Theaterförderung gefordert – Theaterleben 05/16
Der Mai könnte zum Schicksalsmonat für die freien Kölner Theater werden: Am 10. Mai wird der Doppelhaushalt 2016/17 in die Haushaltsberatungen eingebracht. Nach Jahren der Stagnation und des Kaputtsparens scheinen die Zeichen für die Freie Szene diesmal nicht ungünstig zu stehen. Zumindest auf Seiten der Kulturpolitik scheint parteiübergreifend ein Konsens zu bestehen, dass es so nicht weitergehen kann und dringender Handlungsbedarf besteht. Und so kommt es auch auf Seiten der Theater zu einem bemerkenswerten Zusammenschluss: Unter dem gemeinsamen Label „Kölner Initiative Freies Theater“ rufen die Interessenvertretungen Plattform Kölner Theater und Theaterkonferenz gemeinsam zu einer Protestaktion am 10. Mai ab 13 Uhr vor dem Kölner Rathaus auf, um nochmal eindringlich für die Erhöhung der Theaterförderung einzustehen.
Nach einer gründlichen Ermittlung des aktuellen Bedarfes wird eine Erhöhung von derzeit 2,2 Millionen Euro im Jahr auf 5,14 Millionen gefordert. Jeder Interessierte ist aufgerufen für die Belange der freien Theater Kölns zu demonstrieren – Macher wie Zuschauer! Der Mai insgesamt ist von den Theatern als Aktionsmonat ausgerufen worden, und so wird jeder Theaterbesucher über die prekäre Situation und die Forderungen der Theater per Flugblatt informiert. „Grundsätzlich ist die Situation unheimlich stagnierend, und im Moment, wo wir die kulturpolitischen Sprecher hinter unserer Forderung haben, wollen wir über die Aktion den anderen Ratsmitgliedern das auch klar machen“, so der Kölner Theatermacher Stefan Kraft der Gruppe Futur3.
Und auch den Kölner Bürgern sollte daran gelegen sein, dass die kulturelle Vielfalt und Qualität im Theaterbereich nicht weiter zerstört wird. An diesem Punkt stehen wir nämlich. Dies wird die Atmosphäre in der gesamten Stadt negativ verändern. Findet nicht endlich eine adäquate Finanzierung der Theater und Gruppen statt, so verliert die Stadt jeglichen Anschluss an nationale und internationale Entwicklungen im Bereich der Darstellenden Kunst, und die hiesige Theaterinfrastruktur wird dauerhaft beschädigt. Wie schwierig es ist, verlorengegangene Strukturen zu reanimieren zeigt immer noch das Beispiel der eingesparten Tanzkompanie „Tanzforum / Jochen Ulrich“ an den Kölner Bühnen im Jahr 1996. Trotz vieler Bemühungen mit reichlich Geld ist es seither nicht gelungen, die Tanzsparte wieder dauerhaft an den Kölner Bühnen zu etablieren. Seit 20 Jahren sind die Bühnen damit statt einem Drei- ein Zweispartenhaus, und man behilft sich mit einem hochkarätigen, aber quantitativ sehr ausgedünnten Gastspielprogramm.
Mit Begriffen wie „Internationalität“ und „Kulturmetropole“ hat das nichts mehr zu tun. Im freien Theater ist der Punkt bereits seit ein paar Jahren überschritten, wo man hätte sagen können „et hätt noch immer jot jejange“: Künstler verlassen die Stadt, Häuser bewegen sich dauerhaft an der Grenze zur Insolvenz, die auftretenden Künstler werden sittenwidrig niedrig bezahlt, die Produktionen werden kleiner und kleiner, die Experimentierfreude hält sich in Grenzen, weil selbst die Freien Ensembles auf hohe Zuschauerzahlen im Hinblick auf ihr Überleben angewiesen sind … hoffentlich wird jetzt die Chance genutzt, Zukunft zu gestalten!
Jörg Fürst