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Thomas Althoff und sein autobiographisches 50er-Jahre-Ruhr-Panorama
Foto: Ulrich Schröder

Ruhrliteratur pur

30. Juni 2016

Literatur in Bochum, Waltrop und Mülheim – Lesezeichen 07/16

Den Facettenreichtum der Literaturszene an der Ruhr zeigten einige Lese-Events im Juni: Unter dem Motto „Read ’n Roll“ enterte am 2.6. die seit 2002 vor allem Newcomer-AutorInnen vernetzende Gruppe Treibgut – Literatur von der Ruhr die Bühnenplanken im KulturCafé der Ruhr-Uni Bochum. Zu Gast war Rock-Poet Micha-El Goehre, der sich wortkünstlerisch mit den Abgründen des Heavy Metal auseinandersetzt. Passend zum akademischen Umfeld präsentierte zudem der Bochumer Student und angehende Pädagoge Tobias Keller seinen frisch bei dtv erschienenen satirischen Roman „Morgens leerer – abends voller“. Ihren 2015 im Ruhrliteratur-Verlag erschienenen Roman „Die verlorene Räson“ stellte Treibgut-Autorin Caroline Königs vor, wo sie soziale Kälte und die in einen Weltkrieg ausufernde Macht global agierender Konzerne ad absurdum führt. Weitere Highlights setzten der Herner Slammer Christofer Rott auf der Offenen Bühne sowie Treibgut-Autor Calvin Kleemann mit einem lyrischen Wortkonzert, das auch am 17.7. ab 19 Uhr auf der trailer-Wortschatzbühne bei Bochum Total zu hören sein wird.

Akustisch außergewöhnlich kam eine Krimi-Lesung von Fußball-Moderatorenlegende Manni Breuckmann in einem klangvollen historischen Gebäude daher: Am 3.6. präsentierte der im Südosten von Mallorca inzwischen den Ruhestand genießende ehemalige WDR-Kommentator seinen ‚Malle-Krimi‘ „Schnee am Ballermann“ (2015) in der Maschinenhalle des Schiffshebewerks Henrichenburg in Waltrop. Zwar akzeptiert Breuckmann, dass er weiterhin „in der Fußball-Schublade liegt“, doch gerade deshalb inszeniert er einen im Gelsenkirchener Stadtteil Buer geborenen Fußball-Ignoranten als Protagonisten. Dieser wird ob seiner mit Mobbing quittierten Andersartigkeit gar zum hitzigen Schläger und Mörder. Eine Häufung von Morden im Drogen- und Rotlicht-Milieu der Urlaubsinsel stellt die Geduld des Publikums ein wenig auf die Probe, bis es dann doch wieder um Fußball geht: Europa-Meister werde Gastgeber Frankreich, ist sich Breuckmann sicher...

Der Ruhr-Region literarisch treu bleibt derweil der Gelsenkirchener Autor Thomas Althoff, dessen 50er-Jahre-Roman „Komm, wir schießen Kusselkopp“ beim Bottroper Verlag Henselowsky und Boschmann – „Bücher vonne Ruhr“ inzwischen in der 5. Auflage erschienen ist. Im nicht nur für Tagestouristen besuchenswerten Ruhrgebietsladen in Mülheim-Heißen begeisterte der junggebliebene 72-jährige Autor am 9.6. das Publikum mit seinen titelgebenden (literarischen) Purzelbäumen, die zurück ins zuweilen verdrängte, nicht selten verklärte Nachkriegs-Kindheitsidyll führen. Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Jungen, der im Ruhrgebiet groß wird. In der „Zeit der warmen Sommer, als alles nach frischem Regen roch, als die Sprengwagen durch die staubigen Straßen fuhren“, entfaltet sich das bittersüße Panorama einer verschwundenen Welt zwischen erster Kinderliebe und gefährlichem Spiel auf Trümmergrundstücken, auf denen wahrlich nicht alles Gold war, was in der Sonne zu glänzen schien.

Literaturszene im Ruhrgebiet: Treibgut – Literatur von der Ruhr | treibgutliteratur.wordpress.com

ULRICH SCHRÖDER

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