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Tobias Pils, Marfa (six), 2016, Mixed media auf Leinwand, 202 x 320 cm, © Tobias Pils
Foto: Jorit Aust

Räume im Raum

29. Juni 2017

Tobias Pils im Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop – kunst & gut 07/17

Die Bilder umfangen den Betrachter von allen Seiten. Sie füllen die Wände komplett, auch in der Höhe, und erinnern mit ihren wie eingeritzten Chiffren vielleicht sogar an eine reichverzierte Grabkammer im Tageslicht. Die Linien mit ihrer verwaschenen, versickerten Tusche sind teils wie hingehuscht gezogen und teils fest, kantig gefügt. Auf der einen Seite des Raums sind hochaufragende vegetative, figurative Strukturen gegeben, die an die Skelette urzeitlicher Tiere erinnern könnten. Auf der anderen Seite des Raums befinden sich rabenschwarze Leinwände oder auch Bilder, die weiße Bahnen im hell gestrichenen Feld aufweisen. Die Bildsprache bleibt im gesamten elementar, dabei zeichenhaft und in ihren milden Tonwerten wie der Abdruck der Vergangenheit für die Ewigkeit. So sah der zentrale Raum im Museum Quadrat in Bottrop noch nie aus. Aber er fügt sich wie selbstverständlich in die Reihe der vorausgehenden Ausstellungen und zugleich in die Aura und Stille der Bilder des berühmten „Hausherren“ Josef Albers – als wäre die Malerei-Installation extra für diesen Ort und Dialog entstanden.

Der 1971 in Linz geborene Tobias Pils erhält hier seine erste Einzelausstellung in einem Museum in Deutschland. Pils ist ein Shootingstar im Kunstbetrieb, seit seiner Schau in der Wiener Secession 2013. Er wurde bei den Galerien von Eva Presenhuber in Zürich und New York sowie von Friedrich Petzel in Berlin vorgestellt und hat in diesem Jahr noch Einzelausstellungen in der Kunsthalle Krems und in Le Consortium in Dijon – Orte, die auf Avantgarde, das spektakulär Unerwartete schließen lassen. Aber Gott sei Dank funktioniert der Kunstbetrieb dann doch etwas differenzierter. Überhaupt, wo auf Beschleunigung gesetzt wird, entschleunigt Pils. Und schon ist man in den Denkräumen dieser Bilder verfangen. Kennzeichnend ist die Repetition und Variation eines relativ festen Vokabulars mit Ausdrucksformen, denen in ihrer Bild- und Zeichenhaftigkeit alle Zeit der Welt anhaftet. Pils' visuelles Vokabular transzendiert Erfahrungen der sichtbaren Welt und bleibt doch ganz und gar abstrakt und streckenweise konstruktiv orientiert, immer aber offen für ein rein visuelles Begreifen, das sich durch die verschiedenen Ereignisebenen tastet und formale Beziehungen herstellt.

Dr. Heinz Liesbrock
Foto: Werner J.

Der Kurator

Dr. Heinz Liesbrock ist seit 2003 Direktor des Josef Albers Museums. Er studierte Kunstgeschichte, Amerikanistik und Literaturwissenschaft in Bochum, Swansea und Washington und war Leiter des Westfälischen Kunstvereins, Münster.


Das gilt ganz besonders für Pils' Malereien in der Modernen Galerie: dem vorderen Glaskubus. Die großen, ja, überwältigenden Leinwandbilder dort gehen zurück auf seinen letztjährigen Aufenthalt in der Chinati Foundation im texanischen Marfa, wo er sich intensiv auf die karge und flache Landschaft eingelassen hat. Die meisten dieser Bilder entfalten eine ganz eigene lapidare, irgendwie spröde und doch sinnliche Attraktivität. Sie kommen uns so vertraut vor und sind doch fremd. Verbindend für diese Serie ist ein partienweiser Rückbezug auf das Figürliche in seiner denkbar knappsten, fast schablonenhaften Form, ausgehend von der symmetrischen Anlage zweier zugemalter Kreise oder konturierter langgestreckter Bahnen: Pils selbst spricht dabei von „Marfa-Figuren“. Aber alles Anthropomorphe ist eingebunden in konstruktive Elemente, die etwa an Leitersprossen und Architekturgrundrisse denken lassen oder eine kybernetische Abfolge von Schaltsystemen suggerieren. Die Rasterungen und Reihen parallel geführter Striche sind einmal frei spielerisch gezogen, dann streng im seriellen Ablauf. Die Ebenen über dem bräunlichen Grund verschränken sich und sind Raum, besser: Räume vor leerem Grund – das erinnert noch an die konstruktiven Wandobjekte, die Hubert Kiecol in Bottrop vor einiger Zeit gezeigt hat. Aber natürlich ist es doch ganz anders. Nur, es handelt sich um verwandte Überlegungen zu Reihung und Variation, Schichtung und Raum, Verknappung hin zum Minimalistischen und komplexer Vertiefung. Und damit lässt sich neugierig von Gemälde zu Gemälde laufen. Also auch die so überraschende Ausstellung von Tobias Pils passt konsequent hierher. Und gut ist sie auch.

Tobias Pils. Untitled (Room) & Marfa Paintings | bis 3.9. | Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 297 16

Thomas Hirsch

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