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Die Räuber.Live
Foto: Meyer Originals

Monströse Macht Mettigel

31. Januar 2019

„Die Räuber.Live“ in Dortmund – Theater Ruhr 02/19

In einer künstlichen Nichtwelt im ausgeleuchteten Nirgendwo mit Videobeamern prallen zeitgenössische Lebensentwürfe aufeinander, streunen Menschen und Wölfe durch mattgläserne Knallfolien und suchen doch nur ein Leben nach dem Mettigel. Was sich erst einmal wie ein skurriles Comedy-Szenario anhört, entpuppt sich im Dortmunder Depot-Theater als bunbury-ernst gemeinte Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Gesprächsriten, die zwischen Floskeln und Phrasen nicht nur die Ernsthaftigkeit verloren haben, sondern auch latent vom moralischen Verfall gefährdet sind.

Sir Gabriel Trafique zeigen Schillers Drama „Die Räuber“ im scheindigitalen 2.0-Gewand. Die Gruppe wurde 2012 unter dem Label Sir Gabriel Dellmann gegründet und wird heute von Björn Gabriel und Anna Marienfeld geleitet. Der Dortmunder-Ensembleschauspieler führt auch Regie und entwickelt die Fassungen. Doch zurück in den plastifizierten bundesdeutschen Märchenwald auf der Bühne, wo die zwei Paare nach schickem, wechselndem Tête-à-Tête und kreuzweisen Verbrüder*schwesterungen in die Kausalität aus Mauerfall und Fremdenhass einschwenken. Ab und an fällt dabei schon eine alte Vokabel, die an die Sprache Schillers verweist. Itzo klären sich die Fronten und die gendergerechte Sprache, inquisitorische Handlungen gegen den bösen Andersdenkenden nicht ausgeschlossen. Dafür darf man dann gemeinsam in die Sauna, doch der Humanismus ist längst ausgeschwitzt, die Ideologie angeheizt. Gabriel inszeniert das Ganze wie eine durchchoreografierte Performance, in der sich theatralische und filmische Elemente ergänzen, selbst Requisiten werden dabei zur Projektionsfläche und die Schauspieler spiegeln sich als Schattenbilder an der Rückwand.

Was folgt sind Schillers „Räuber.Live“ mit viel physischem Spiel und Rumsauen mit Essensresten, kein Wunder, der Mensch stammt eh´ aus dem Morast und seine Freiheit muss immer einen Herrn haben. Was bleibt, ist der nackte Franz und Prodigys „Firestarter“. Das Ende fasert etwas aus, doch die Monologe zu Schiller sind groß. Was bleibt, ist die Frage, ob dieser Schiller für die Protagonisten der richtige utopische Schiller gewesen ist. Doch wer weiß das nach diesem schönen Abend schon.

„Die Räuber.Live – Utopien aus deutschen Lenden“ | R: Sir Gabriel Trafique |
14.2., 28.3., 29.3. 20 Uhr | Theater im Depot, Dortmund | www.depotdortmund.de

PETER ORTMANN

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