Jacques Tardi schließt mit „Nach dem Krieg“ seine groß angelegte Trilogie „Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B“ über die Erlebnisse seines Vaters während des Zweiten Weltkriegs ab. Nach vielen Comics über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, die Pariser Kommune, Krimis oder fantastische Stoffe, immer politisch aufgeladen und tief Humanistisch, ist dies das persönlichste Werk des heute 73-Jährigen: Nach Krieg, Gefangenenschaft und mühsamer Rückkehr erzählt er nun, wie sein Vater nach dem Krieg in Deutschland stationiert ist. Und nicht zuletzt von seiner eigenen Geburt und seiner Kindheit in Deutschland. Und so endet die beeindruckende Trilogie als Autobiografie (Edition Moderne). Eines von Tardis ersten Alben ist „Aufruhr in der Rouergue“, das mit dem Szenaristen Pierre Christin entstanden ist. Auch der acht Jahre ältere Christin ist meist mehr oder minder explizit politisch in seinen Stoffen für Jean-Claude Mézières („Valerian & Veronique“), Enki Bilal („Legenden der Gegenwart“) u.v.a. Nun hat auch er mit „Ost-West“ sein persönlichstes Werk vorgelegt, in dem er mit Hilfe von Philippe Aymond und dessen sehr detailreichen Farbzeichnungen auf sein Leben zurückblickt. Im Zentrum stehen seine erste Reise in die USA Mitte der 60er Jahre und seine vielen Reisen nach Osteuropa seit den 70er Jahren, die ihn zu zahlreichen Comics inspiriert haben. Und so ist seine Autobiografie zugleich ein politischer Abriss der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Carlsen).
Ein Meister einer etwas jüngeren Generation ist Lewis Trondheim, der Anfang der 90er Jahre mit einigen Kollegen und dem Independent Verlag L‘association eine neue Welle in der französischen Comic-Szene losgetreten hat – mit einem unglaublichen Pensum und immer um Erneuerung bemüht. 2018 hat er täglich ein Panel ohne Worte gezeichnet, die zusammen den zweiten Band „Das verrückte Unkraut“ seiner Reihe „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase“ ergeben, in dem Hase durch Paris schlendert und immer wieder in einen postapokalyptischen Paris-Dschungel gezogen wird, der ihn umzingelt. Ziemlich toll und ziemlich verrückt! Veröffentlicht nicht als Album, sondern als kleinformatiges, aber dickes Büchlein, ist es auch äußerlich sehr besonders (Reprodukt).
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