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Andrés García Ibáñez, Der Garten der Bacchanten, 1995, Öl auf Leinwand, 280 x 500 cm, Ibáñez Museum, Olula del Rio, © Andrés García Ibáñez
Foto: courtesy Ibáñez Museum

In bester Tradition

26. Oktober 2017

Andrés García Ibáñez im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 11/17

Malen kann er! Die Gemälde von Andrés García Ibáñez zelebrieren Malerei. In ihrem figurativen Realismus widmen sich Ibáñez' Malereien ganz dem Menschen und der Komödie seines Daseins mit ihren tragischen Momenten. Zu sehen sind bekannte Persönlichkeiten sowie Berufsgruppen, denen ein legendärer oder zweifelhafter Ruf anhaftet (Stierkämpfer, das Gericht, der Klerus, die Presse), sowie Gestalten der Mythologie und schließlich Personen unseres Alltags, die ganz aus dem Heute stammen. Mit seiner sezierenden Aufmerksamkeit ist Ibáñez zudem ein Meister des Porträts.

Die Malerei selbst ist realistisch, dabei weich in der Linienzeichnung. Mit ihrer noblen Farbpalette sind die Bilder respektvoll und geduldig. Aber sie sind roh, stürmisch und mitunter sogar zornig. Sie sind Wirklichkeit, gesellschaftliche, soziale, politische Wahrheit und rennen gegen deren Gesetzmäßigkeiten an, um sie nur noch tiefer zu durchdringen. Sie könnten aus der Tradition des Berliner Realismus eines Johannes Grützke erwachsen sein. In einzelnen Bildern erwacht die Malerei in ihrem Duktus und ihrem Kolorit zu einem expressiven Eigenleben, etwa bei der Darstellung eines geöffneten Mundes (ein bisschen wie Francis Bacon) oder eines gehäuteten Tierkopfs. Damit sind diese Malereien entlarvend, beinhalten Szenen des Erschreckens, ja, des Abstoßenden. Aber selbst dann sind sie schön, reizvoll im fließenden Spiel von Licht und Schatten, der Einbettung der Figur in die Umgebung... Das ist vielleicht ein erstes Resümee zu Ibáñez' opulenter Retrospektive im Neubau des Osthaus Museum Hagen.

Geboren 1971, gehört Ibáñez zu den renommierten Malern in seiner Heimat Spanien; daneben ist er vor allem in England gefragt. In Andalusien gibt es ein eigenes Museum für seine Bilder, aus dessen Bestand auch die Gemälde der Hagener Ausstellung stammen.

Erstmals findet in einem deutschen Museum eine Ibáñez-Ausstellung statt. Standesgemäß empfängt uns hier der Maler mit seinem Selbstporträt. Die Haut im Licht fahl, die Haare ungekämmt, die Augen hinter der Brille zusammengekniffen, schaut Ibáñez ein bisschen missmutig, als wäre ihm die Begegnung jetzt gar nicht recht. Werden in diesem Bild nicht schon der genaue, sezierende Blick und die furchtlose, sogar respektlose Hinwendung zu kritischen Themen deutlich?

Noch einmal begegnet uns Ibáñez in der Ausstellung auf dem leider etwas abseits hängenden Großformat „Der Garten der Bacchanten“. Es zeigt das Atelier des Künstlers. Mehrere Szenen scheinen ineinander verschachtelt zu sein. Sie stellen den Maler als Großkünstler vor, umgeben von den eigenen Gemälden. Sind die vielen hübschen Frauen die Modelle oder die Besucher einer Vernissage oder sonst eines Festes? Der Maler sitzt auf der Bühne, welche ihn noch heraushebt, und ist mitten im Malen begriffen, beugt sich aber im Gespräch zu einer dahinter stehenden Frau. Von vorne kommt eine hinzu, die mehr an eine Sekretärin erinnert (tatsächlich ist es aber die Mutter des jungen Mannes). Malerei wird zum öffentlichen Vorgang und findet alles andere als im stillen Kämmerchen statt. Erstaunlich ist, wann dieses Bild, sozusagen im jugendlichen Überschwang nach den ersten Erfolgen entstanden ist: 1995, also im Alter von gerade 24 Jahren. Wenn es für etwas prophetisch ist, dann für das Selbstverständnis, eine öffentliche Person zu sein, die sich folglich einmischt und Stellung bezieht. Mit einer solchen Genremalerei stellt sich Ibáñez ausgesprochen selbstbewusst in die Tradition der Kunstgeschichte seines Landes mit Zurbáran und Velázquez. Deutlich wird dies auch bei den Malereien, die sich den Machenschaften und Verstrickungen der Kirche zuwenden und das spanische Königshaus kommentieren.

Es ist übrigens eine vorzügliche Choreografie, dass diese Ausstellung gleichzeitig mit der von Heike Kati Barath zu sehen ist. Barath, wenig älter als Ibáñez und eine der wichtigsten Malerinnen hierzulande sowie aktuelle Osthaus-Preisträgerin, malt ebenfalls figürlich und gegenständlich, aber: ganz, ganz anders. Ein Nebeneinander auf höchstem Niveau.

Andrés García Ibáñez. Poesie des Realen. | bis 3.12. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 31 38

THOMAS HIRSCH

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