Vor etwas mehr als fünfzehn Jahren übernahm Franz Xaver Ohnesorg, dessen Name ob des besseren Handlings in seinen Jahren als Gründungskopf der Kölner Philharmonie der Kürze halber auf die Formel „FXO“ herunter gekürzt wurde, das Klavier-Festival Ruhr. Anders als in Berlin und in New York, wo der Musikmanager relativ kurze, aber heftige Gastspiele bei den ersten Orchestern bzw. berühmtesten Institutionen erlebte, hat er sich im Ruhrgebiet auf künstlerisches Verweilen eingerichtet. Die Langversion der Festivalgeschichte, ein persönlich formulierter Erlebnisbericht des FXO auf der Website, unterzeichnete ein Fehlerteufel mit dem Datum 20011. Langlebigkeit soll dem Fest ein Gründerkreis sichern, der sich just formiert. Auch das aktuelle Programm, das sich noch bis tief in den Juli erstreckt, spricht nicht von Unterfinanzierung. Und der wirklich erfreuliche Zuspruch bei den meisten Veranstaltungen sorgt mit seiner geschwollenen Einschaltquote für Absicherung gegen Mäkler aus den Reihen der Kulturgegner: Es ist alles prima an der Ruhr.
Das Festival kümmert sich um die ganz jungen Talente wie Kit Armstrong und schafft in eigenen Förderprogrammen Auftrittsmöglichkeiten für absolute Newcomer. Es greift gern nach neuen Trends in der Präsentation, nach Brüchen, wie sie Leif Ove Andsnes aus dem Norden über die Welt trägt: „Pictures reframed“ nannte er seine „Bilder einer Ausstellung“ in neuer multimedialer Lesart – spannender als diese laue Idee wird allerdings sein diesjähriges Recital in Essens Philharmonie ausfallen (4.7.). Am gleichen Ort tritt drei Tage später Anne-Sophie Mutter (7.7.) mit ihrem Klavierbegleiter Lambert Orkis an, um u.a. Feuer an die Themen aus Sarasates „Carmen-Fantasie“ zu legen – David Garrett dürfte ihr den Rang als Premiumprodukt der deutschen Geiger abgelaufen haben, trotzdem muss der Kunde für den Erwerb der Konzertkarte tiefer in die Tasche greifen als an normalen Tagen.
Bereits am folgenden Konzertabend (8.7.), diesmal in Duisburg, greift der „Pate“ des seriösen Klavierspiels, András Schiff, für Haydn, Mozart, Beethoven und die Freunde Schumann und Mendelssohn in die Tasten. Die Grande Dame Martha Argerich gastiert in Dortmunds Konzerthaus (14.7.), gleich gefolgt von Hélène Grimaud (17.7. in Essens Philharmonie mit dem WDR Orchester und Manfred Honeck). Diese Pianistin, die seit 1991 Wölfe als ihre Seelenverwandten betrachtet und den Raubtieren eine ganze Sonate widmete, gab der Presse die Möglichkeit, ihren Namen auch außerhalb von Fachmagazinen und Feuilletons zu platzieren. Einen späten Auftritt beim Ruhr-Festival hat der Pianist Gerhard Oppitz. Für sein Konzert am 21.07. in der Mülheimer Stadthalle liegen sogar noch Tickets an der Abendkasse.
Der sehr klug haushaltende Künstler, der am liebsten ohne Wölfe lebt, liebt eine konstante und übersichtliche Konzertfrequenz über das Jahr, obwohl kaum jemand auf dem Markt mobiler ist als diese reife Persönlichkeit: Er ist nämlich begeisterter Pilot und reist auch mal mit dem eigenen Flieger an.
„Klavier-Festival Ruhr“ I Bis 24.7. I An diversen Orten im Ruhrgebiet
www.klavierfestival.de
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