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„4 à 4 n°11“
© Studio Morellet

„Er hat die Ausstellung noch selbst geplant“

29. September 2016

John Jaspers vom Zentrum für Internationale Lichtkunst über Morellet – Sammlung 10/16

Der Leiter des Zentrums für Internationale Lichtkunst in Unna, John Jaspers, sprach mit uns über die Retrospektive des französischen Minimalisten François Morellet, der in diesem Jahr im Alter von 90 Jahren gestorben ist.

trailer: Herr Jaspers, was macht François Morellet, wenn kein Strom da ist?
John Jaspers: Dann hat er glücklicherweise auch noch andere Möglichkeiten, um seine Kunst zu zeigen. Weil er nicht nur Neonarbeiten macht. Ich war letzte Woche in Berlin und habe eine kleine Galerie besucht, die gerade eine Hommage an François Morellet zeigt, und dort habe ich Arbeiten gesehen, die auch ich noch nicht kannte. Bilder vom Anfang der 1970er Jahre. Er hat da verschiedene Zeichnungen gemacht, oft mit Gitterstrukturen. Er ist immer ein sehr vielseitiger Künstler gewesen. Also auch wenn es keine Elektrizität gibt, es bleibt genug übrig um einen François Morellet zu genießen.

Der Zufall sei ein elementarer Faktor in seiner Arbeit gewesen, hat Morellet mal gesagt. Darf man ihm das tatsächlich glauben?

John Jaspers
Foto:Presse

Zur Person

Seit März 2014 leitet der Amsterdamer John Jaspers das Zentrum für internationale Lichtkunst in Unna. Er war Direktor des „Museum Kunstlicht in de Kunst” in Eindhoven und das Thema Lichtkunst und dessen Vermittlung ist der rote Faden seiner Laufbahn. Er ist Initiator des neuen International Light Art Award, der seit dem letzten Jahr in Unna vergeben wird.

Jein. Das ist ein neues Wort, das ich gerade in Deutschland gelernt habe. Es sieht immer so aus, aber was dahinter steckt ist, ist enorm. Die Formeln, die er braucht, die Berechnungen, die geometrischen Formeln. Vielleicht ist ein kleines Stück tatsächlich Zufall, aber alles, was François Morellet geschaffen hat, wurde genau berechnet und er wusste dabei genau, was er macht. Ich habe ihn letztes Jahr besucht und da hat er mir sein Atelier in der Schule gezeigt, ganz oben. Das sah tatsächlich aus wie ein Atelier wie von jedem anderen Maler, das stand voll mit Farben, mit Malersachen. Was, dachte ich, und das ist ein Lichtkünstler, der hier arbeitet? Aber klar, alles wird gezeichnet, alles wird vorbereitet. Das ist unglaublich, wie genau er und sein Team gearbeitet haben, das muss ich sagen.

Also die Dada-Chaosschublade trifft dann nicht zu?
Nein. Es ist ein durchdachtes Chaos. Und für Leute, die Morellet nicht kennen, die denken, ja was hat der Mann denn hier gemacht, das ist ja alles komplett zerstört, denen muss man dann die Kompositionen erklären, die sind einzigartig, und man erkennt Morellet auch, man sieht sozusagen gleich seine Unterschrift, wenn es ein Morellet ist.

Wie „minimal“ ist der Aufwand eigentlich, der hinter den einzelnen Arbeiten steckt, muss man die nur in die Steckdose stecken?
Um seine Kunst aufzuhängen? Nein, der Aufwand ist nicht minimal. Aber das ist es niemals mit Kunst. Es geht hier auch um das Gesamtbild. Morellet selbst hatte schon einen Plan von den Örtlichkeiten, nachgebaut in der Schule, und dann haben die darin Fotos aufgehängt von den Arbeiten. So genau wird das gemacht, und es ist wirklich komponiert.

Gibt es bei Morellet auch diesen Technikverschleiß wie beispielsweise bei Nam June Paik? Wo die Fernseher aus den 1950er, 1960er Jahren irgendwann eben mal kaputt sind, die Neonröhre ist ja auch nicht unsterblich?
Das gilt für alle Lichtkunst. Das ist eine Frage mit der sich Kuratoren und Museumsleute jetzt beschäftigen. In der Malerei hat man das schon. Da konnte man untersuchen, welche Farben wurden gebraucht und so weiter. Die Lichtkunst ist viel jünger und dennoch: Tatsächlich ist die starke Glühbirne jetzt verboten, und was macht man dann mit einer Arbeit, die nur aus Glühbirnen aufgebaut ist? Die Leuchtstoffröhren gehen jetzt auch weg – was macht man dann mit der Kunst von einem Dan Flavin? Morellet und auch Flavin haben mit sogenannten Ready-mades gearbeitet, also industriellen Produkten, die es damals gab, und die dann in einer Kunstinstallation verwendet. Ich glaube, es ist in diesem Fall nicht so schlimm, wenn eine Neonröhre kaputt geht. Es geht um die Komposition, es geht um die Arbeit, und ich glaube, man kann die Röhren noch nachproduzieren lassen.

Übt der Ort hier in Unna, die alte Brauerei, nicht bereits zu viel Einfluss auf die Werke aus?
Ich habe mir diese Frage vom ersten Moment an gestellt. Man sieht Morellet eigentlich immer in White Cube-Museen. Und auf weißen Wänden kommt seine Kunst richtig zur Geltung. Wir haben hier jetzt ein paar helle Wände gebaut, weil es einfach ein paar Arbeiten gibt, wofür er solche Wände benötigt, um überhaupt hängen zu können, und die wirklich einen weißen oder dunklen Hintergrund für die Optik brauchen. Seine Arbeiten aus den 1960er Jahren, die wurden auch mit einem dunklen Hintergrund gezeigt, also haben wir auch Wände gebaut und die dunkel gestrichen. Es gibt einen Keller mit sehr hohen Steinen. Und ich weiß es einfach noch nicht. Es kann in beide Richtungen gehen. Wir müssen das ausprobieren. Ich rechne auch damit, dass das Team von Morellet sagt, so schaffen wir das nicht, und dann müssen wir nochmal Holzwände bauen.

Kann man Lichtkünstler untereinander vergleichen?
Wir haben ein paar Künstler für den Morellet-Katalog gefragt, etwas über ihn zu sagen. Keith Sonnier hat geschrieben, dass sie einen gleichen Hintergrund gehabt hätten, das Französische, die Arbeit in Europa und Amerika – und die Neons. Er sei in die farbige Richtung gegangen und Morellet sei bei weiß geblieben. Sie sind vergleichbar, ja und nein. Ja, weil beide Neon verwenden, aber in dem, was sie damit machen, nein, gar nicht. Und ich glaube auch James Turrell und er sind nicht zu vergleichen. Turrell braucht das Licht als Material und den Effekt, den das Licht macht, und Morellet macht kleine Skulpturen, Installationen oder arbeitet mit Architektur. Aber wie Turrells Lichter die Architektur beeinflussen, ist ganz anders als bei Morellet. Bei Turrell kann man das Licht erfahren und was damit geschieht.

Morellet | bis 29.1. | Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna | 02303 10 37 51

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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