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Kämpft an mehreren Fronten: David Oyelowo als Seretse Khama in „A United Kingdom“.
Foto: Presse

„Der Film erzählt eine zeitlose Geschichte“

30. März 2017

David Oyelowo über „A United Kingdom“, Rassismus und Daniel Brühl – Roter Teppich 04/17

David Oyelowo wurde 1976 in Oxford geboren und begann seine Karriere bei der Royal Shakespeare Company, wo er als erster dunkelhäutiger Schauspieler „Henry VI.“ verkörperte. Auch vor Film- und Fernsehkameras machte er schnell Karriere und wurde spätestens 2011 einem internationalen Publikum durch seine Rollen in „Planet der Affen: Prevolution“ und „The Help“ bekannt. Nach Rollen in „Lincoln“, „Interstellar“ und als Martin Luther King in „Selma“ spielt er in „A United Kingdom“ nun Seretse Khama, der durch seine Heirat mit einer Weißen 1948 für Schlagzeilen sorgte (Kinostart: 30. März).

trailer: Mister Oyelowo, Seretse Khamas Geschichte dürfte hierzulande kaum bekannt sein, aber Sie dürften darüber im Vorfeld schon etwas gewusst haben, da Sie auch einer der Produzenten von „A United Kingdom“ sind, richtig?

David Oyelowo: Ja, ich bin einer der Produzenten. Aber auch ich wurde erst 2010 auf Khamas Geschichte aufmerksam, als mir ein Produzent, mit dem ich damals zusammenarbeitete, von ihm erzählte. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich trotz meiner afrikanischen Abstammung zuvor noch nichts von ihm gehört hatte. Dabei hielt ich mich für historisch doch ziemlich interessiert, besonders hinsichtlich afrikanischer Geschichte. Aber ich kannte Khama zu diesem Zeitpunkt nicht. Nachdem ich das Buch „Colour Bar“ von Susan Williams gelesen hatte, wollte ich etwas dagegen tun, dass Khamas Geschichte weiterhin so unbekannt bleibt, und ein Film ist dafür das beste Mittel.

Wie haben Sie sich dann auf die historische Rolle vorbereitet, durch Filmausschnitte oder indem sie über Khama gelesen haben?

Sowohl als auch. Das Großartige an dieser Geschichte ist, dass sie seinerzeit von der Presse sehr detailliert behandelt wurde. Es gab eine Menge Filmclips von Seretse Khama, während er Ansprachen hielt, Radioausschnitte und öffentliche Einsprüche, mit denen er gegen seinen Exilantenstatus vorgehen wollte. Aber auch die Zeit nach den Ereignissen in unserem Film ist sehr gut abgedeckt, weil er danach das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt von Botswana wurde. Und auch Susan Williams‘ Buch war für mich extrem hilfreich, weil es die Ereignisse aus unserem Film sehr detailliert beschreibt. Obwohl ich auch andere Bücher zum Thema gelesen habe, war „Colour Bar“ meine Bibel, um mich auf meine Rolle vorzubereiten.

Sie haben schon häufiger historische Figuren gespielt, zuletzt auch sehr erfolgreich Martin Luther King jr. in „Selma“. Ist das für Sie einfacher oder schwieriger, als eine fiktive Rolle zu spielen?

Es ist anders. Die Herausforderung, eine echte Figur zu spielen, liegt darin, dass diese vielen Zuschauern bekannt ist und die Menschen von deren Vermächtnis wissen. Einige werden deswegen immer unzufrieden sein mit der Darstellung einer historischen Figur, denn meine Arbeit besteht nicht darin, eine Ikone zu verkörpern, sondern einen Menschen. Oftmals sind Leute, deren Leben es wert ist, filmisch nacherzählt zu werden, zu Ikonen geworden oder haben einen Ruf erlangt, der etwas aufgeblasen wirkt im Vergleich zu dem, was sie tatsächlich waren. Ich habe kein Interesse darin, eine Ikone oder eine Figur mit einer fast schon heiligen Aura zu verkörpern, mir geht es eher darum, den Menschen dahinter darzustellen, was sicherlich nicht jedermann gefällt. Das ist die Herausforderung daran. Hinzu kommen die Vergleiche, ob man wie derjenige aussieht oder spricht, was natürlich oberflächlich ist, und dennoch muss man versuchen, das alles so glaubwürdig wie möglich hinzubekommen.

Die aktuelle politische Situation unter Trump scheint gar nicht so weit weg zu sein von den alten Apartheid-Tagen im Film. Ist es dadurch noch wichtiger geworden, Khamas Geschichte einer neuen Generation zu erzählen?

Als wir den Film im Herbst 2015 drehten, konnten wir nicht ahnen, dass wir auf so eine unberechenbare politische Landschaft zusteuern werden. Für mich persönlich liegt der einzige Grund, einen historischen Film zu drehen, darin, eine Verbindung zu der Zeit herzustellen, in der er angesehen wird. „A United Kingdom“ kam meiner Meinung nach genau zum richtigen Zeitpunkt, erzählt aber andererseits auch eine zeitlose Geschichte. Es wird nie eine Zeit geben, in der eine Liebesgeschichte, in der zwei Menschen Vorurteile überwinden müssen, um zusammen zu bleiben, nicht von den Zuschauern nachvollzogen werden kann. Jeder, der schon einmal verliebt war und sich mit irgendeiner Art Widerstand herumschlagen musste, aufgrund der Tatsache, wer er ist oder mit wem er zusammen sein will, wird sich von diesem Paar inspiriert fühlen. Aber Sie haben recht, der Film trifft, gerade weil er jetzt anläuft, auf jeden Fall den Zeitgeist.

Sie selbst sind auch mit einer weißen Frau, Jessica, verheiratet. Haben Sie deswegen jemals ähnliche Vorbehalte oder Zurückweisungen erlebt?

Gott sei Dank nichts in der Art, wie es Seretse und Ruth erlebt haben. Aber auch wir sind Individuen begegnet oder waren an Orten, wo die Tatsache, dass wir zusammen sind, nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen wurde. Ich habe einige Filme in Südafrika gedreht, und es gibt dort noch immer einige Orte, an denen das nicht gutgeheißen wird. Auch in einigen der Südstaaten der USA konnten wir so etwas fühlen. Aber es ging da tatsächlich eher um ein Gefühl, nicht um etwas Offenkundiges. Wir waren uns bewusst, dass uns nicht mit der gleichen Offenheit und Selbstverständlichkeit begegnet wurde, die wir aus London, New York oder Los Angeles gewohnt sind. Insofern ist das tatsächlich noch ein Problem, was man auch daran erkennen kann, dass wir in den USA unsere Website zu diesem Film schließen mussten, weil die rassistischen Kommentare darauf überhandgenommen hatten.

Waren Sie für die Dreharbeiten nun zum ersten Mal in Botswana?

Ich habe dort schon einmal eine Episode der Fernsehserie „Eine Detektivin für Botswana“ gedreht, eine der letzten Arbeiten, die Anthony Minghella noch betreute, bevor er starb. Ich hatte damals eine tolle Zeit, weil es ein wirklich sehr schönes Land ist. Damals wusste ich noch nichts über Seretse und Ruth Khama, aber als ich dann von ihnen erfuhr, berührte mich das noch mehr, weil ich das Land dann schon kannte.

Sie scheinen sich auch für die Arbeit hinter der Kamera zu begeistern, haben schon einen Kurzfilm inszeniert und einige Filme produziert. Planen Sie, auch mal einen Langfilm zu inszenieren?

Ja, diesen Ehrgeiz habe ich tatsächlich. Ich bin voller Bewunderung für Leute, die das tun. Und ich strebe ebenfalls danach, mal der Kapitän eines solchen Schiffes zu sein, weil es die eigene Vision ist, die man dabei auf die Leinwand bringen kann. Ich hatte die Ehre, mit unglaublich guten Regisseuren zusammenzuarbeiten. Bei jeder dieser Gelegenheiten habe ich auch von ihnen gelernt, aber ich muss dafür natürlich die richtige Geschichte zum richtigen Zeitpunkt finden, und auch alles andere muss stimmen. Aber ich hoffe, dass das alles einmal zusammenkommen wird.

Wie wählen Sie die Projekte aus, in denen Sie nicht nur spielen, sondern die Sie auch produzieren? Sind dies in erster Linie Geschichten, die Sie unbedingt erzählt haben möchten?

Drei Dinge reizen mich an einem Film: meine Rolle, die beteiligten Personen und die Geschichte. Wenn mich eine Rolle als Schauspieler ängstigt, dann reizt sie mich. Ich übernehme gerne Rollen, in denen ich mich unwohl fühle, denn diese Ungewissheit, was auf mich zukommt, ist für mich Teil des Menschseins. Wenn ich das als Schauspieler erforschen kann, ist das interessant für mich. Bei „A United Kingdom“ reizte mich der historische Aspekt, weil ich historische Dramen liebe, mit denen ich in Großbritannien aufgewachsen bin. Als Mann mit afrikanischen Wurzeln reizte mich dieser Aspekt an der Geschichte natürlich ebenfalls. Außerdem hat es mir auch gefallen, wieder mit Rosamund Pike und Amma Asante zusammenzuarbeiten, die beide sehr talentiert sind. Insofern hat dieser Film bei mir wirklich komplett ins Schwarze getroffen.

Sie haben hier nicht zum ersten Mal gemeinsam mit Ihrer Frau Jessica vor der Kamera gestanden. Ist es für Sie nicht problematisch, wenn sich Privatleben und Beruf derart vermischen?

Nein, das ist ein großes Vergnügen! Ich habe Jessica vor achtzehn Jahren kennengelernt und wir sind glücklicherweise noch sehr verliebt ineinander. Dass wir beide denselben Beruf ausüben, macht einiges viel einfacher für uns. Ich könnte es allerdings nicht ertragen, vor der Kamera ihren Liebhaber zu spielen (lacht). Das fände ich doch ziemlich seltsam. Dass sie in „A United Kingdom“ diese eher antagonistische Figur spielt, gefällt mir da viel besser. Was auf der Leinwand gezeigt wird, sollte unserem Privatleben nicht allzu ähnlich sein, sonst fände ich das zu schräg (lacht).

Sie haben gerade mit Daniel Brühl für „God Particle“ vor der Kamera gestanden. Können Sie uns darüber noch etwas erzählen?

Da J.J. Abrams den Film produziert hat, kann ich so gut wie nichts darüber erzählen. Er macht ja immer ein großes Geheimnis um seine Projekte (lacht). Ich kann Ihnen aber sagen, dass Daniel Brühl einer der besten Schauspieler ist, mit denen ich bislang zusammengearbeitet habe. Er ist unglaublich talentiert und sehr engagiert in allem, was er tut. Sein Blick für die Details ist sehr inspirierend. Die gesamte Besetzung des Films ist großartig. Es stimmt, dass „God Particle“ ein aufwändiger Science-Fiction-Film ist, aber er hat auch Hirn, und deswegen habe ich zugesagt. Und mit Brühl zu spielen, war für mich eine große Ehre, weil er so ein intelligenter Schauspieler ist.

Interview: Frank Brenner

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