Man steht mitten drin, angezogen und abgestoßen zugleich. Geheimnisvolle Rituale von geradezu barocker Opulenz entfalten sich. Gestalten mit dämonischen Masken, mal nackt und weiß getüncht mit weit aufgerissenen Mündern und mehreren Augenpaaren, mal mit schrillbunten Kostümen und abstrusen Körperfortsätzen, verrichten wilde, komplizierte Handlungen zu Wasser, an Land oder im Nachtclub – untermalt von harten Rave-Rhythmen und Underground. Butoh meets Hip-Hop, Nitschs Orgien-Mysterien-Theater auf Chinesisch, psychedelisch und völlig mysteriös. Man kann sich nicht entziehen, trotz medialer Distanz: Videokunst im Oval Office unter dem Schauspielhaus.
Mit dem Intendantenwechsel 2018 wandelte sich das einstige „Theater unten“ in einen Kunstraum für multimediale installative Einzelausstellungen. Der dritte Künstler, Tianzhuo Chen aus Peking (geb. 1985) transformiert den fensterlosen Keller zurzeit mit Performance-Videos in eine Zone des audiovisuellen rituellen Rausches.
Wer am Eröffnungstag Ende Januar Chens mehrstündigem Livehappening beiwohnte, findet in der Ausstellung noch Aktionsrelikte wie Topfpflanzen, welke Blätter auf dem Boden und eine Nebelmaschine, die die Aufsicht in dramaturgisch stimmigen Momenten anwirft, um Raum und Videobetrachter in dichte Schwaden zu hüllen. Der Sinn bleibt nebulös: Es geht vorrangig um Körperlichkeit. Tianzhuo Chen, Enfant terrible der chinesischen Kunstszene, verschränkt Mythen mit Hoch- und Subkultur und Elementen aus allen Weltreligionen und erzeugt Faszination zwischen Ekel und Ekstase, um, wie er sagt, die Grenzen des Selbst und des Körpers auszuloten.
Tianzhuo Chen: Against the Blade of Honour | bis 17.3., Di-So 17-23 Uhr | Oval Office im Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Im Labyrinth der Gespräche
„Die kahle Sängerin“ am Schauspielhaus
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Familiendrama
„Die Brüder Karamasow“ im Schauspielhaus
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Mit Psyche in die Unterwelt
„Underworlds. A Gateway Experience“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 01/23
Tonight's the Night
Musikalische Silvester an den Theatern im Ruhrgebiet – Prolog 12/22
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Das Kollektiv als Opfer
„Danza Contemporanea de Cuba“ in Bochum – Tanz an der Ruhr 12/22
„Es geht um eine intergenerationelle Amnesie“
Vincent Rietveld über „Bus nach Dachau“ am Schauspielhaus Bochum – Premiere 11/22
Keine Versöhnung in Sicht
„Einfach das Ende der Welt“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 10/22
The Return of Tragedy
Theater im Ruhrgebiet eröffnen die neue Spielzeit – Prolog 09/22
„Viele Leute sind froh, dass sie in Bochum sind“
Liesbeth Coltof über „Hoffen und Sehnen“ – Premiere 06/22
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – Ruhrkunst 02/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24
Ausdruck der Zeit
Expressionismus-Sammlung im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/24
Visionen von Gemeinschaft
„Wir ist Zukunft“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/24
Das bisschen Haushalt …
„Kochen Putzen Sorgen“ im Quadrat Bottrop – Ruhrkunst 12/23
Unorte im Fokus
„Die Stadt ist anderswo“ im Bochumer Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/23
Konkret gemalt
„Colours and Lines in Motion“ in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 11/23
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23
Im Herzen des Bunkers
Marianne Berenhaut in Recklinghausen – Ruhrkunst 09/23